Geeintes Schicksal von Erstmeldung und Gegendarstellung

Wenn eine Falschmeldung aus einen öffentlich zugänglichen Online-Archiv entfernt wurde, darf auch die dazugehörige Gegendarstellung nicht mehr abrufbar sein. Der Bundesgerichtshof hält die Verknüpfung von Erstmitteilung und deren Gegendarstellung für so eng, dass die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen auch allein durch die selbst verfasste Gegendarstellung beeinträchtigt werden, weil sie die falschen Vorwürfe reflexartig wiederaufleben lasse.

Falschbehauptung in Online-Ausgabe

Eine Boulevardzeitung behauptete in ihrer Online-Ausgabe, dass die Polizei gegen einen Kommunalpolitiker wegen Zuhälterei ermittle und er bereits einen Großteil dieser Taten gestanden habe. Der Betroffene ging sofort dagegen vor und erwirkte den Abdruck seiner Gegendarstellung, in der er die Behauptungen erst wörtlich wiedergab und sie dann richtigstellte. Die Redaktion setzte darunter, dass der Mann Recht habe. Im Pressearchiv der Zeitung war die Erstmeldung nicht mehr verfügbar, wohl aber die Gegendarstellung, sie konnte über die Suchfunktion wieder abgerufen werden. Dagegen wendete sich der Politiker erfolgreich vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Sowohl das Oberlandesgericht Frankfurt als auch der Bundesgerichtshof hielten das Urteil.

Gegendarstellung mit Erstmeldung verknüpft

Der Kläger hat dem BGH zufolge einen Anspruch auf Entfernung seiner Gegendarstellung aus dem Pressearchiv aus den §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG: Mit ihrem noch fortdauernden Vorhalten zum Abruf werde das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Zwar stelle die Gegendarstellung die Erstmitteilung gerade richtig, aber wegen des Zitats der Falschmeldung werde das Recht der persönlichen Ehre und des guten Rufs reflexartig wiederum beschädigt, weil sie die Vorwürfe der Zuhälterei aus der Erstmeldung spiegele.

"Selber schuld" verfängt nicht

Der Einwand, der Politiker habe die Gegendarstellung doch selbst verfasst und dessen Veröffentlichung verlangt, überzeugte die Karlsruher Richter nicht. Zum einen sei der Geschädigte rechtlich gezwungen gewesen, die Behauptungen, die er richtiggestellt haben will, konkret zu zitieren. Will man das Gegendarstellungsrecht nicht schwächen, darf man dem VI. Zivilsenat zufolge die Richtigstellung nicht gegen den Betroffenen verwenden - vor allem nicht gegenüber dem Erstschädiger, der die Ursache der Gegendarstellung gesetzt habe. Da das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen weiter beeinträchtigt werde, die Zeitung demgegenüber keinerlei schützenswertes Veröffentlichungsinteresse mehr habe, sei die weitere Vorhaltung auch rechtswidrig.

BGH, Urteil vom 28.09.2021 - VI ZR 1228/20

Redaktion beck-aktuell, 19. November 2021.