Auf ZDF Info wurde mehrfach eine Dokumentation über "Entführte Kinder" ausgestrahlt, die sich auch mit der Entführung der damals acht Jahre alten Nina von Gallwitz im Dezember 1981 befasste. Gezeigt wurden unter anderem drei Fotos des Mädchens: Zwei davon hatte die Polizei damals in Suchmeldungen verwendet. Ein weiteres, nach der Freilassung aufgenommenes Bild, zeigte das Mädchen zusammen mit seiner Mutter und war auf der Titelseite einer Illustrierten abgedruckt.
Auch ein Brief, den das Kind als Lebenzeichen während seiner Entführung geschrieben hatte, und ein Audiomitschnitt eines Anrufs, in dem das Kind Daten zu einer geplanten Lösegeldübergabe mitteilte, wurden in dem Beitrag wiedergegeben.
ZDF darf Fotos, Brief und Audiomitschnitt nicht mehr veröffentlichen
Der BGH hat entschieden, die Verwendung der drei Fotos in dem Beitrag verletze das Recht der Klägerin am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) und begründe einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog. Die für eine Einordnung als Bildnis im Sinn des § 22 Satz 1 KUG erforderliche Erkennbarkeit der abgebildeten Person sei jedenfalls für Menschen, die die Klägerin seit Kindertagen oder noch unter ihrem – im Film genannten – Geburtsnamen kennen, gegeben.
Mangels Einwilligung dürfe das ZDF die Fotos nicht mehr zeigen. Denn es handele sich nicht um Bildnisse der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Im Rahmen der dazu erforderlichen Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Presse- und Meinungsfreiheit räumt der BGH zwar ein erhebliches Interesse an der Berichterstattung über den spektakulären, bis heute nicht aufgeklärten Fall ein.
Klägerin ist besonders schutzbedürftig
Die Interessen des ZDF überwögen dennoch nicht. Neben dem Verblassen des öffentlichen Interesses an ihrer Person nach einem so langen Zeitablauf unterstreicht der BGH die besondere Schutzbedürftigkeit der Klägerin als damals minderjähriges Opfer einer schweren Straftat. Das Opfer einer Straftat könne nach einem gewissen Zeitablauf Anspruch darauf haben, selbst zu entscheiden, ob sein Bildnis noch zur Illustration und erneuten Vergegenwärtigung seiner damaligen Opferrolle verwendet werden darf. Hier sei zu berücksichtigen, dass die der Polizei überlassenen Fotos nur aus einer ausweglosen Zwangssituation heraus veröffentlicht worden seien.
Die Wiedergabe des Briefs und des Audiomitschnitts müsse das ZDF ebenfalls unterlassen. Beides verletze die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Brief und Mitschnitt seien als "privat" einzustufen, da sie in einer "Situation des Bangens um die eigene Person" entstanden seien. Sie vermittelten mit kindlicher Schrift, Ausdruck und Stimme zudem einen noch persönlicheren und unmittelbareren Bezug zur Person als die Fotos. Das Schutzinteresse der Klägerin überwiege auch hier das Interesse des ZDF an der Berichterstattung.