Fußfessel als Gefahrenabwehrmaßnahme

Eine Rückkehrerin aus Syrien, die vier Jahre lang der IS-Ideologie angehangen hatte, kann auch nach ihrer Distanzierung davon noch als Gefahr für terroristische Straftaten betrachtet werden. Der Bundesgerichtshof billigte die Anlegung einer elektronischen Fußfessel bei ihr, weil in die Anordnung alle Erwägungen für und gegen die Maßnahme eingeflossen seien. Eine bestimmte Gewichtung könnten die Karlsruher Richter nicht vorschreiben.

Fußfessel für ehemalige IS-Angehörige

Eine Jugendliche in Hessen radikalisierte sich und schloss sich dem Islamischen Staat an. Als Sechzehnjährige reiste sie nach Syrien, heiratete einen Kämpfer und lebte vier Jahre mit ihm, bevor sie 2019 zurück nach Deutschland gelangte. Zunächst wurde sie in Untersuchungshaft genommen und unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland angeklagt. Knapp zwei Monate nach Beginn der Hauptverhandlung vor dem OLG Frankfurt am Main im Februar 2021 setzte der Strafsenat den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug und entließ die junge Frau aus der Haft. Daraufhin ordnete das Hessische Landeskriminalamt zur Gefahrenabwehr unter anderem die Anlegung der elektronischen Fußfessel für drei Monate an, wogegen die Betroffene erfolglos Rechtsmittel einlegte. Im Mai 2021 wurde sie zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im August 2021 wurde ihr nach einer Lücke von knapp zwei Monaten wiederum zur Gefahrenabwehr die Fußfessel angelegt. Sie setzte sich erneut  vor dem Amtsgericht Wiesbaden über das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bis zum Bundesgerichtshof – inzwischen als Feststellungsantrag zur Rechtswidrigkeit der Anordnung – erfolglos dagegen zur Wehr.

Keine Fehler der Vorinstanz erkennbar

Der BGH als Rechtsbeschwerdeinstanz kann den Beschluss des Oberlandesgerichts nur auf Rechtsfehler überprüfen. Insbesondere könne der 3. Strafsenat der Vorinstanz nicht vorschreiben, wie sie die unterschiedlichen Tatsachen, die für und gegen die Anordnung der Fußfessel nach § 31a Abs. 1 HSOG sprechen, gewichtet. Auch wenn ihr Aufenthalt im Herrschaftsgebiet des IS schon "Jahre her" sei, könne er noch für eine Prognose aktueller Gefährlichkeit herangezogen werden. Ihre langjährige Verinnerlichung der Ideologie des IS könne eine aktuelle konkrete Wahrscheinlichkeit für terroristische Straftaten begründen – auch ohne Teilnahme an einem Kampftraining. Das OLG habe ihre gute persönliche Entwicklung, ihre Distanzierung von ihrem Ehemann und auch die Zeit ohne Fußfessel, in der sich eine Terrorgefahr nicht realisiert habe, berücksichtigt.

BGH, Beschluss vom 26.07.2022 - 3 ZB 5/21

Redaktion beck-aktuell, 7. September 2022.