Fremdenfeindliche Beweggründe und Ziele als Strafzumessungsumstände
Lorem Ipsum
© Bernd Wüstneck / dpa

Rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe sind regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Dies habe zwar vorher schon gegolten, sei aber 2015 ausdrücklich mit § 46 Abs. 2 StGB klargestellt worden, so der Bundesgerichtshof, der ein Urteil eines Landgerichts rügte, in dem fälschlicherweise die entsprechende Tatmotivation unberücksichtigt gelassen worden war. Die Gesinnung als solche könne indes nicht berücksichtigt werden.

Bezüge zu Fackelzügen des Dritten Reichs

Nach den vom LG getroffenen Feststellungen besprühten der Angeklagte und seine Komplizen in der Nacht vom 19. auf den 20.07.2011, um Propaganda für ihre politische Anschauung zu betreiben, vier Schulgebäude mit zahlreichen Graffitiparolen an, so etwa mit "Hitzefrei statt Völkerbrei", "Die Deutsche Jugend wehrt sich" und "Bad G. bleibt deutsch". In den späten Abendstunden des 08.11.2011 beteiligte sich der Angeklagte an dem sogenannten "Marsch der Unsterblichen", einer damals neuen Aktionsform der rechten Szene. Hinter einem Banner mit der Aufschrift "Volkstod stoppen" marschierten die Teilnehmer mit brennenden Fackeln durch eine Innenstadt und skandierten Parolen, unter anderem "frei, sozial und national". Absprachegemäß trugen sie weiße Gesichtsmasken und dunkle Kleidungsstücke, die aufgrund der Lichtverhältnisse einheitlich schwarz wirkten. Der Aufmarsch erweckte den Eindruck einer Militärformation und erinnerte an Fackelzüge des Dritten Reichs.

LG hatte von Strafe abgesehen

Das LG Koblenz hatte den Angeklagten wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung sowie Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz verurteilt. Von Strafe hatte es abgesehen. Zuvor hatte es das Verfahren wegen der gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung eingestellt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der Bundesgerichtshof das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

BGH: Strafzumessung durchgreifend rechtsfehlerhaft

Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige Dritte Strafsenat des BGH hat die Strafzumessung als durchgreifend rechtsfehlerhaft beanstandet, weil die Staatsschutzkammer keine Gesamtabwägung der strafzumessungsrelevanten Umstände vorgenommen hat. Vielmehr habe sie allein strafmildernde Gesichtspunkte in den Blick genommen, insbesondere die Belastungen für den Angeklagten infolge der langen Verfahrensdauer und die mit der Untersuchungshaft verbundenen besonderen Nachteile.

Fremdenfeindliche Tatmotivation hätte berücksichtigt werden müssen

Dagegen hat sie eine fremdenfeindliche Tatmotivation des Angeklagten unberücksichtigt gelassen. Wie die Vorschrift des § 46 Abs. 2 StGB in der Fassung vom 12.06.2015 nunmehr ausdrücklich regele, seien rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele regelmäßig strafzumessungsrechtlich beachtlich. Das gelte auch für Taten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzesänderung begangen wurden, weil die Neufassung lediglich klarstellende Bedeutung gehabt habe. 

Gesinnung als solche findet keine Berücksichtigung

Berücksichtigung könne allerdings nicht die Gesinnung als solche finden. Die Einstellung des Täters sei vielmehr nur dann von Bedeutung, wenn sie in der Tat zum Ausdruck komme. Dies war hier nach Auffassung des BGH nach den Feststellungen der Fall. Über die Rechtsfolgen der Taten muss infolgedessen durch eine andere Strafkammer des LG neu entschieden werden.

BGH, Urteil vom 20.08.2020 - 3 StR 40/20

Redaktion beck-aktuell, 21. August 2020.