Freistellung von "Corona-Desinfektionspauschale" im Schadensgutachten

Verlangt ein Verkehrsunfallopfer vom Schädiger die Freistellung der für die Erstellung eines Gutachtens pauschal in Rechnung gestellten Desinfektionsmaßnahmen, richtet sich sein Anspruch grundsätzlich danach, ob und in welcher Höhe er dem von ihm beauftragten Sachverständigen diese Vergütung schuldet. In dieser Konstellation ist laut Bundesgerichtshof auch für die Schadenshöhe der Inhalt des Werkvertrags maßgeblich.

Sachverständigenbüro stellt Desinfizierung des Autos in Rechnung

Ein Geschädigter verlangte nach einem Verkehrsunfall restlichen Schadensersatz in Gestalt einer Covid-19-Desinfektionspauschale in Höhe von 17,85 Euro. Diese war ihm von dem von ihm beauftragten Kfz-Sachverständigenbüro im Zuge der Feststellung der Schadenshöhe in Rechnung gestellt worden. Im Rahmen der Begutachtung wurden sowohl bei Hereinnahme des Fahrzeugs (zum Schutz seiner Mitarbeiter vor der Ausbreitung des Coronavirus) als auch vor Rückgabe des Kfz an den Kläger (zu dessen Schutz) alle relevanten Fahrzeugteile, die kurzfristig berührt wurden, desinfiziert. Dabei betrug der Arbeitsaufwand jeweils mehrere Minuten.

LG: Allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen können nicht gesondert berechnet werden

Während das AG Böblingen dem Kläger Recht gab, verurteilte das LG Stuttgart die Haftpflichtversicherung lediglich in Höhe von 8,93 Euro bezüglich derjenigen Desinfektionsmaßnahmen, die vor der Rückgabe des Fahrzeugs an den Kläger erfolgt waren. Die Kosten für die Desinfektion bei Hereinnahme des Wagens seien dagegen nicht erstattungsfähig, da bereits zweifelhaft sei, ob der Sachkundige dem Kunden allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen gesondert in Rechnung stellen könne. Die Revision des Klägers beim BGH hatte keinen Erfolg.

Höhe der Vergütung ist klärungsbedürftig

Der VI. Zivilsenat verwies die Sache ans LG zur weiteren Prüfung zurück. Entgegen der Auffassung der Stuttgarter Kollegen komme es nicht darauf an, ob die dem Kläger vom Sachverständigen für die Erstellung des Schadensgutachtens pauschal in Rechnung gestellten Desinfektionsmaßnahmen nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB jeweils objektiv erforderlich waren. Da ein Auswahl- und Überwachungsverschulden des Kunden weder ersichtlich noch vorgetragen wurde, ist den BGH-Richtern zufolge vielmehr maßgeblich, ob und in welcher Höhe das Unfallopfer dem Fachkundigen nach werkvertraglichen Grundsätzen eine Vergütung für die Desinfektionsmaßnahmen schulde. Hier sei nach § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, da deren Höhe nicht bestimmt worden und auch keine Taxe nach § 632 Abs. 2 BGB für die Erstellung von Schadensgutachten bestehe. Da sich eine solche übliche Vergütung nicht bestimmen ließ, müsse das LG nunmehr prüfen, ob sich deren Höhe durch ergänzende Vertragsauslegung ermitteln lasse. Sollte dies nicht der Fall sein, müsse über eine einseitige Bestimmung der Gegenleistung durch den Unternehmer gemäß §§ 315, 316 BGB in den normalen Grenzen nachgedacht werden. Grundsätzlich gibt es aus Sicht des BGH aber keine Bedenken, dass der Unternehmer die Corona-Pauschale gesondert berechnet hat. 

BGH, Urteil vom 13.12.2022 - VI ZR 324/21

Redaktion beck-aktuell, 17. Januar 2023.

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