Misshandelte Tiere beschlagnahmt und (not)veräußert
Eine Staatsanwältin schrieb sich den Tierschutz auf die Fahne und war alsbald sehr überlastet. Zwischen 2011 und 2014 beschlagnahmte sie vom Hungertod bedrohte Rinder, Hunde und Pferde und ließ sie binnen kurzem notveräußern, zunächst ohne deren Eigentümer dazu anzuhören. Auch wenn sie dies nach zwei Dienstaufsichtsbeschwerden in späteren Fällen dann tat, benachrichtigte sie bis auf einen Fall die Tierhalter nicht von der geplanten Veräußerung und von Ort und Zeit derselben - obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet war. Vier Fälle solcher Notveräußerungen wurden angeklagt. Nach ihrer Einlassung war ihr die fragliche Vorschrift (§ 111l Abs. 4 Satz 2 StPO a.F.) bis zur Einleitung des Disziplinarverfahrens unbekannt gewesen. Auch Kollegen, Vorgesetzte und Richter, die mit ihren Fällen befasst waren, hätten sie auf diesen Fehler nicht hingewiesen. In einem anderen Fall verkaufte sie 60 Rinder gegen den Willen des Eigentümers an einen Dritten, wobei sie dem Halter den Erlös zukommen ließ. Hierbei erklärte sie, von seinem Einverständnis ausgegangen zu sein. In allen Fällen waren die Tierhalter wegen Tierquälerei strafrechtlich belangt worden. Das Landgericht Kiel sprach die Staatsanwältin in allen Fällen vom Vorwurf der Rechtsbeugung frei. Die Staatsanwaltschaft erhob Revision zum Bundesgerichtshof - ohne Erfolg.
Rechtsbeugung erfordert Kenntnis von der Rechtswidrigkeit
Die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach die Staatsanwältin nichts von der Pflicht zur Mitteilung der Notveräußerungsanordnung gewusst hatte und damit kein Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit ihres Tuns hatte, ist nach Ansicht des BGH rechtsfehlerfrei. Sowohl ihre - wegen Überlastung - flüchtige Arbeitsweise als auch die Kollegen, die sie nicht auf diesen Fehler aufmerksam gemacht hätten, spreche für die Richtigkeit ihrer Behauptung. Allein die fehlerhafte Rechtsanwendung reiche zur Erfüllung der Rechtsbeugung nach § 339 StGB nicht aus, vielmehr müsse der Täterin die Kenntnis der Unvertretbarkeit ihrer Handlungsweise nachgewiesen werden.
Gesteuerter Verkauf zugunsten des Tierhalters nicht rechtswidrig
Die 60 Rinder, die die Staatsanwältin wegen Tierquälerei nach § 17 TierSchG beschlagnahmte, unterlagen dem BGH zufolge der Einziehung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG. Der Staatsanwältin wäre es nach Ansicht des 5. Strafsenats erlaubt gewesen, die Tiere nach § 111l Abs. 1 Satz 1 StPO a.F. notzuveräußern. In diesem Fall wäre der Erlös der Staatskasse zugeflossen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend habe sie jedoch den gesteuerten Verkauf angeordnet, um einerseits den unhaltbaren Zustand der Tiere zu beenden und andererseits dem Tierhalter zumindest den Wert seiner Rinder zu erhalten, indem er den Erlös bekomme. Dieses Vorgehen sei nicht rechtswidrig gewesen, so der BGH.