Streit um Fortdauer der Miete
Die klagende Stadt verlangt von dem beklagten Verein die Räumung und Herausgabe des Galopprennbahngeländes in Frankfurt am Main. Widerklagend begehrt der Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen der Klägerin als Vermieterin und der F.H. GmbH als Mieterin des Rennbahngeländes geschlossenen Mietaufhebungsvertrags und eines zwischen der Klägerin und dem Zeugen H. als alleinigem Gesellschafter der F.H. GmbH geschlossenen Vertrags über die Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH auf die Klägerin.
Renn-Klub sollte auf Areal für Mieterin Pferderennen durchführen
Mit Mietvertrag vom 06.09.2010 vermietete die Klägerin das Rennbahngelände als Pferde-, Golf- und Freizeitsportäche bis zum 31.08.2024 an die F.H. GmbH. In dem Mietvertrag verpflichtete sich die GmbH, jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen zu veranstalten. Da die F.H. GmbH nicht Mitglied im "Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V." war und daher keine konzessionierten Pferderennen durchführen konnte, übertrug sie mit einem auf den 06.12.2010 datierten Geschäftsbesorgungsvertrag diese Verpflichtung zur Durchführung von Pferderennen auf der Galopprennbahn auf den Beklagten, der hierfür eine jährliche Vergütung von 216.000 Euro erhalten sollte.
Mietvertrag 2014 aufgehoben und Geschäftsbesorgungsvertrag mit Beklagtem gekündigt
Am 05.08.2014 schlossen die Klägerin, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der F.H. GmbH H. und die durch ihn vertretene F.H. GmbH einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag über die Geschäftsanteile des H. an der F.H. GmbH sowie eine Vereinbarung über die Aufhebung des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH. Unter dem 04.03.2015 erklärte H. namens der F.H. GmbH gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zum 30.06.2015. Mit Schreiben vom 29.06.2015 forderte ein Mitarbeiter der Klägerin den Beklagten zur Herausgabe des Rennbahngeländes zum 30.09.2015, hilfsweise zum 31.12.2015, auf und erklärte vorsorglich nochmals die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zu diesen Zeitpunkten.
OLG: Mietaufhebungsvertrag im Verhältnis zum Beklagten unwirksam
Das Landgericht hatte den Beklagten unter anderem dazu verurteilt, das von ihm in Besitz gehaltene Gelände der Galopprennbahn in Frankfurt am Main sowie die dort von ihm genutzten Geschäftsräume zu räumen und an die Stadt Frankfurt am Main als Klägerin herauszugeben. Die auf Feststellung der Unwirksamkeit des Mietaufhebungs- und Geschäftsanteilskaufvertrags gerichtete Widerklage des Beklagten hatte das LG abgewiesen. Das OLG hatte die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe richtete. Auf die Widerklage hatte es die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt. Im Übrigen hatte es die Berufung des Beklagten verworfen. Die Revision hatte das OLG zugelassen.
BGH versagt Beklagtem einstweiligen Rechtsschutz
Nach Einlegung der Revision hat der Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG sowie aus dem Urteil des LG einstweilen einzustellen. Der BGH hat den Antrag des Beklagten zurückgewiesen (NZM 2017, 700).
BGH widerspricht OLG und weist Widerklage vollumfänglich ab
Die Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt hat, hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben, soweit darin die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt worden ist und die Widerklage insgesamt abgewiesen.
Mietaufhebungsvertrag gegenüber Renn-Klub nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam
Entgegen der Auffassung des OLG sei der zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH am 05.08.2014 abgeschlossene Mietaufhebungsvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) gegenüber dem Beklagten unwirksam. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit könnten die Parteien eines Mietvertrags unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit auch dann durch einen Aufhebungsvertrag vorzeitig beenden, wenn der Mieter einem Dritten die Mietsache zur Nutzung überlassen hat, betont der BGH. Ein Mietaufhebungsvertrag könne allerdings sittenwidrig sein, wenn für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht, der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt und durch die Aufhebung des Mietvertrags die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert wird.
Defizitärer Rennbahnbetrieb rechtfertigt Mietaufhebungsvertrag
Im Streitfall hätten sowohl für die Klägerin als auch für die F.H. GmbH vernünftige Gründe dafür vorgelegen, den Mietvertrag vorzeitig aufzuheben. Denn der Rennbahnbetrieb sei in der Vergangenheit defizitär gewesen. Zudem habe der F.H. GmbH das Recht zugestanden, den Geschäftsbesorgungsvertrag, wie geschehen, mit Wirkung zum 31.12.2014 zu kündigen.
Kein eigenes Recht des Renn-Klubs auf Nutzung des Areals für Vereinszwecke begründet
Im Hinblick darauf begründeten auch die weiteren vom OLG herangezogenen Umstände nicht den Vorwurf eines verwerflichen Verhaltens der Klägerin und der F.H. GmbH zum Nachteil des Beklagten, so der BGH. Der zwischen der F.H. GmbH und dem Beklagten abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag vom 06.12.2010 habe nur die Verpflichtung des Beklagten enthalten, für die F.H. GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen (davon mindestens ein Listenrennen) gegen eine jährliche Vergütung von 216.000 Euro durchzuführen. Nutzungsrechte an dem Mietgegenstand seien dem Beklagten nur an einem Büroraum eingeräumt worden, den die F.H. GmbH dem Beklagten unentgeltlich für seine Vereinszwecke zur Verfügung stellen sollte. Zusätzlich sollte der Beklagte an den Renntagen kostenlos einen weiteren Raum für Mitglieder und Gäste nutzen können. Ein darüberhinausgehendes eigenes Recht des Beklagten, das Rennbahngelände für Vereinszwecke zu nutzen, sah der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht vor. Dem Beklagten habe somit weder ein Anspruch gegen die F.H. GmbH auf Durchführung der in § 1 Nr. 1 des Geschäftsbesorgungsvertrags genannten Rennsportveranstaltungen noch auf eine weitergehende Nutzung des Rennbahngeländes zugestanden, fasst der BGH zusammen. Gegenüber der Klägerin hätten ebenfalls keine vertraglichen Beziehungen bestanden, die den Beklagten zu einer Nutzung des Rennbahngeländes berechtigt hätten.
Wirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags für Räum- und Herausgabepflicht irrelevant
Auch die von der Klägerin in dem Geschäftsanteilskauf- und Mietaufhebungsvertrag vom 05.08.2014 gegenüber dem Zeugen H. eingegangenen Zahlungsverpflichtungen rechtfertigten nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit des Mietaufhebungsvertrags. Schließlich werde durch diese Zahlungen auch nicht der Anspruch des Beklagten auf Auszahlung eines von der F.H. GmbH erwirtschafteten Überschusses vereitelt. Nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag habe die F.H. GmbH zwar die Verpflichtung getroffen, jeglichen erwirtschafteten Überschuss, soweit dieser nicht für die Bildung von Rückstellungen erforderlich ist, als Sonderzahlung an den Beklagten zu überweisen. Um einen von der F.H. GmbH erwirtschafteten Überschuss im Sinne dieser Bestimmung handele es sich jedoch bei diesen beiden Zahlungen nicht. Da der Mietaufhebungsvertrag vom 05.08.2014 mangels Sittenwidrigkeit wirksam war und damit der zwischen der Klägerin und der F.H. GmbH abgeschlossene Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt sein Ende fand, war der Beklagte laut BGH unabhängig von der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Geschäftsbesorgungsvertrags nach § 546 Abs. 2 BGB zur Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes verpflichtet.