Erst Inkassodienstleister, dann Anwalt mit Forderungseinzug beauftragt
Eine Energieversorgerin mahnte bei einem Kunden offene Forderungen aus dem Vertrag in Höhe von rund 5.000 Euro an. Der Kunde erklärte zwar, er werde die Kosten begleichen, tat es aber nicht. Daraufhin beauftragte die Strom- und Gaslieferantin einen Inkassodienstleister, der ein gerichtliches Mahnverfahren einleitete. Da der Beklagte dagegen Widerspruch erhob, schaltete die Versorgerin dann einen Rechtsanwalt ein, der sie vor dem LG Kiel vertrat. Der Kunde trat vor dem Gericht nicht auf, so dass ein Versäumnisurteil erging. Allerdings reduzierte das Gericht die eingeklagten Inkassokosten: Diese seien nur in der Höhe des nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teils einer 1,3-Geschäftsgebühr angefallen. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde wegen Entzugs des gesetzlichen Richters wurde die Berufung im Hinblick auf die Nebenforderung zugelassen, aber auch das OLG Schleswig wies die Klage auf die weiteren Inkassokosten in Höhe von 230,10 Euro ab. Erst mit der Revision vor dem BGH hatte die Stromversorgerin Erfolg.
Verstoß gegen Schadensminderungspflicht?
Die Geschädigte habe nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB die Pflicht, den eingetretenen Verzugsschaden zu mindern. Dazu gehört nach Ansicht des BGH auch, die Kosten der Rechtsverfolgung auf das erforderliche und zweckmäßige Maß zu begrenzen. Hier seien durch spätere Beauftragung des Anwalts tatsächlich Mehrkosten entstanden. Allerdings sei die Notwendigkeit aus der ex-ante-Sicht zu bestimmen: Es komme also darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht der Geschädigten darstelle. Anders als das OLG sah der BGH hier ein korrektes Verhalten der Klägerin, denn zu dem Zeitpunkt des Auftrags an den Inkassodienstleister konnte die Energieversorgerin wegen der Zusage des Beklagten, dass er die Forderung begleichen werde, mit Fug und Recht davon ausgehen, dass ein Inkassodienstleister genüge, um die Forderung einzutreiben. Es war dem VIII. Zivilsenat zufolge zuvor nicht abzusehen, dass ein Verfahren vor dem Landgericht und damit die Einschaltung eines Rechtsanwalts notwendig werden würde. Dessen Verfahrensgebühr nach VV Nr. 3100 sei nicht nach § 15a Abs. 1 RVG zu kürzen, weil er im außergerichtlichen Verfahren nicht tätig gewesen war.
Anrechnung nur für identische Auftragnehmer
Sinn der Anrechnungsgebühr nach § 15a Abs. 1 RVG ist laut BGH, im Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt zu berücksichtigen, dass die Einarbeitung und Vorbereitung im gerichtlichen Verfahren weniger aufwendig ist, wenn der Bearbeiter schon im Vorverfahren tätig war. Demzufolge müsse sich die Energieversorgerin nicht so behandeln lassen, als ob sie den Anwalt schon mit der außergerichtlichen Tätigkeit betraut hätte, sondern könne die beim Inkassodienstleister angefallene Geschäftsgebühr in voller Höhe als Verzugsschaden geltend machen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 4 Abs. 5 RDGEG aF (jetzt § 13e Abs. 1 RDG), weil diese Norm nicht regele, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich sei, sondern nur die Gebühren des Inkassodienstleister begrenze.