Film über Missbrauch an Odenwaldschule verletzt keine Persönlichkeitsrechte

Eine Unterlassungsklage gegen die weitere Verbreitung von Szenen aus dem Film "Die Auserwählten" ist gescheitert. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des im Film dargestellten früheren Missbrauchsopfers der Odenwaldschule zurückgewiesen. Die bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler verletze nicht das Recht am eigenen Bild und stelle vorliegend auch keinen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar.

Ehemaliger "Odenwaldschüler" machte persönliche Missbrauchsgeschichte öffentlich

Der Kläger war in den 1980er Jahren Schüler der Odenwaldschule, wo er über mehrere Jahre sexuell missbraucht wurde. Seit dem Jahr 1998 machte er auf das Missbrauchsgeschehen aufmerksam und trug - durch die Mitwirkung an Presseveröffentlichungen und an einem Dokumentarfilm - maßgeblich zu dessen Aufklärung bei. Im Jahr 2011 veröffentlichte der Kläger ein autobiographisches Buch, in dem er die Geschehnisse schilderte. Im Jahr 2012 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis. Anlässlich der Preisverleihung legte er im November 2012 sein zunächst verwendetes Pseudonym ab. Im Jahr 2014 strahlte die ARD den im Auftrag der erstbeklagten Landesrundfunkanstalt von der Beklagten zu 2 produzierten Spielfilm "Die Auserwählten" aus. Der an Originalschauplätzen gedrehte Film thematisiert den sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule, wobei der Kläger als Vorbild für die zentrale Filmfigur zu erkennen ist.

BGH sieht keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild

Der Kläger, der eine Mitwirkung an dem Film im Vorfeld abgelehnt hatte, hält dies für einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Er begehrt, die weitere Verbreitung der entsprechenden Filmszenen zu unterlassen. Nachdem die Klage in den Instanzen erfolglos war, legte der Kläger Revision ein. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die Vorentscheidungen bestätigt. Der Kläger könne sein Unterlassungsbegehren nicht auf sein Recht am eigenen Bild stützen. Eine erkennbar bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler in einem Spielfilm sei kein Bildnis der dargestellten Person im Sinne des § 22 Satz 1 KUG.

Recht am eigenen Bild greift nur bei täuschend echter Darstellung

Dieser Schutz stehe im Fall der erkennbaren Darstellung einer Person durch einen Schauspieler dem Schauspieler zu, der in diesem Fall auch in seiner Rolle noch "eigenpersönlich" und damit als er selbst erkennbar bleibe. Als Bildnis der dargestellten Person sei die Darstellung dagegen (erst) dann anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt werde, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotographie der Fall sein könne.

Vorliegend auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Der Anspruch ergebe sich bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtungsweise auch nicht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG. Zwar sei der Kläger durch die ausgeprägten Übereinstimmungen zwischen seinem Schicksal und der Darstellung der entsprechenden zentralen Filmfigur in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen. Auch verstärke die in der besonderen Intensität der visuellen Darstellung liegende suggestive Kraft eines Spielfilms diese Betroffenheit. Doch wiege diese Betroffenheit im Ergebnis und unter maßgeblicher Berücksichtigung der von dem Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht so schwer, dass die zugunsten der Beklagten streitende Kunst- und Filmfreiheit zurücktreten müsste.

BGH, Urteil vom 18.05.2021 - VI ZR 441/19

Redaktion beck-aktuell, 18. Mai 2021.