Fiktive Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht ja – im Werkvertragsrecht nein

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 25.01.2022 seine bisherige Rechtsprechung um die fiktiven Mängelbeseitigungskosten verdeutlicht: Ein Käufer kann im Rahmen des kleinen Schadensersatzanspruchs die Kosten einer voraussichtlichen Schadensbeseitigung verlangen – egal, ob er den Schaden tatsächlich beseitigt oder nicht. Im Werkvertragsrecht gilt diese Regel nicht, weil der Auftragnehmer vom Unternehmer einen Vorschuss zur Ersatzvornahme verlangen kann.

Reimportiertes Fahrzeug mit fehlender Ausstattung

Ein Mann kaufte von einem Autohändler einen Dacia Dokker Comfort SCe 100 für 14.300 Euro. Das Fahrzeug kam aus einem anderen EU-Staat und sollte laut Vereinbarung die Serienausstattung "Comfort" – einen Tempomaten und eine Mittelarmlehne – haben. Als ihm der Dacia geliefert wurde, fehlten diese Ausstattungsmerkmale, woraufhin er vergeblich die entsprechende Nachrüstung verlangte. Im Klagewege forderte er unter anderem die Zahlung von Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Kosten der Nachrüstung. Das Amtsgericht Eckernförde wies die Klage ab, das Landgericht Kiel gab ihr statt, ließ aber die Revision hinsichtlich der Anspruchshöhe zu. Der Autohändler wehrte sich vor dem BGH – ohne Erfolg. Nach Hinweis erledigte sich der Rechtsstreit durch Revisionsrücknahme.

Kein Fall für den Großen Senat

Laut BGH (Az.: VIII ZR 337/20) gab es keinen Zulassungsgrund mehr, über die Sache zu entscheiden, weil sie weder grundsätzliche Bedeutung hat noch einen anderen Zulassungsgrund enthält. Die grundsätzliche Bedeutung sei entfallen, seitdem der VIII. Senat für den Kauf beweglicher Sachen im November 2021 (Az.: VIII ZR 187/20, s.u.) entschieden habe, dass – trotz der anderen Handhabung im Werkvertragsrecht – der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach den §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3,  281 Abs. 1 BGB auch anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten bemessen werden kann. Anderenfalls müsse er die Nachteile einer Vorfinanzierung für die Mängelbeseitigung tragen. Diesen Nachteil habe der Auftragnehmer im Werkvertragsrecht laut § 637 Abs. 3 BGB nicht: Er kann vom Unternehmer einen Vorschuss zur Ersatzvornahme fordern. Wegen dieser verschiedenen Regeln könne nicht von einer voneinander abweichenden Rechtsprechung im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG ausgegangen werden. Eine Vorlage vor den Großen Senat ist den Karlsruher Richtern zufolge daher nicht erforderlich.

Zugelassene Revision nur über die Anspruchshöhe

Der Autohändler stellte in seiner Revisionsschrift unter anderem auch die Mangelhaftigkeit des gelieferten Dacia in Abrede. Hinsichtlich des Anspruchsgrundes aber hat das Landgericht dem VIII. Zivilsenat zufolge die Revision nicht zugelassen; die Revision ist daher diesbezüglich unzulässig. Die Beschränkung der Zulassung auf die Anspruchshöhe sei auch wirksam, da der Streitstoff auch eindeutig abgrenzbar sei.

BGH, Beschluss vom 25.01.2022 - VIII ZR 337/20

Redaktion beck-aktuell, 3. Mai 2022.