Fehlerhafte Zurückweisung zweitinstanzlichen Vortrags ohne Schriftsatzfrist
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© Fabian Sommer / dpa

Wird ein richterlicher Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erteilt, muss die Partei auch reagieren können. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass hier in der Regel eine Schriftsatzfrist zur Ergänzung des Vortrags gewährt werden muss. Dies gilt insbesondere bei Angaben zu Beweisfragen, die von der Vorinstanz noch als unerheblich angesehen wurden.

Fliesenleger will Verdienstausfall nach Unfall

Ein 73 Jahre alter Handwerker verlangte nach einem Verkehrsunfall von der Verursacherin Ersatz des Verdienstausfallschadens für den Zeitraum von September 2014 bis März 2020. Zum Unfallzeitpunkt Ende 2013 war er als Geschäftsführer und Fliesenlegermeister einer GmbH für ein Bruttogehalt von 2.030 Euro tätig gewesen. Die Firma konnte sich ab September 2014 seinen Lohn nicht mehr leisten und meldete Insolvenz an. Der Geschädigte führte dies auf seinen Unfall zurück. Das LG Baden-Baden gab der Klage statt, ließ aber offen, ob die Insolvenz unfallbedingt war oder auch sonst eingetreten wäre. Das OLG Karlsruhe gab der Berufung statt und wies die Klage ab. Erstmals in der Berufungsverhandlung erfuhr der Kläger, dass das OLG – anders als das Landgericht – den Hintergrund der Insolvenz für streitentscheidend hielt und sein Vortrag nicht ausreichend sei. Anträge auf Gewährung einer Schriftsatzfrist und die Vernehmung eines Zeugen wurden zurückgewiesen.  Dagegen legte der Handwerker Nichtzulassungsbeschwerde ein – mit Erfolg.

BGH: Offenkundig fehlerhafte Zurückweisung

Der BGH verwies die Sache an das OLG zurück. Aus Sicht der Richter war der Fliesenleger durch die "offenkundig fehlerhafte" Zurückweisung des Beweisantrags und des Schriftsatznachlasses in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das LG habe hier eine rechtliche Frage anders als das OLG beurteilt und dies auch im Verfahren den Parteien deutlich mitgeteilt. Dadurch habe der Verletzte keinen Anlass gehabt, seinen Vortrag zu ergänzen. Jetzt hätte das OLG ihm diese Gelegenheit geben müssen: Ein rechtlicher Hinweis, so der VI. Senat, "erfüllt seinen Zweck nur dann, wenn der Partei anschließend die Möglichkeit eröffnet wird, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung des Hinweises zu ergänzen."

BGH, Beschluss vom 26.01.2021 - VI ZR 1304/20

Redaktion beck-aktuell, 8. Februar 2021.