Fehlender Übernahmebeschluss bildet Verfahrenshindernis

Vergisst eine Strafkammer, die Übernahme eines bereits eröffneten amtsgerichtlichen Verfahrens förmlich zu beschließen, ist das Landgericht sachlich unzuständig. Ein bloßer Vermerk des Kammervorsitzenden kann diesen Beschluss nicht ersetzen. Das Strafverfahren bleibt dann beim Amtsgericht, wie der Bundesgerichtshof am 21.10.2020 entschieden hat.

Kammervorsitzender machte nur einen Vermerk

Das Amtsgericht Münster hatte ein Strafverfahren gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler eröffnet. Später erkannte die Vorsitzende, dass ein weiteres Verfahren vor dem Landgericht Münster anhängig war. Sie legte diesem ihren Fall nach § 225a Abs. 1 StPO vor und beantragte die Übernahme und Verbindung mit dessen Verfahren. Der Vorsitzende der Strafkammer fertigte einen Vermerk, wonach die Kammer dazu bereit sei. Anschließend wurde am LG ein neues landgerichtliches Aktenzeichen vergeben und beide Fälle wurden verbunden. Ein ausdrücklicher Übernahmebeschluss erging nicht. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Er wehrte sich gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Ein Vermerk ist kein Beschluss

Ein ordnungsgemäßer Übernahmebeschluss nach § 255a Abs. 3 StPO muss dem BGH zufolge aus Gründen der Rechtssicherheit schriftlich abgefasst werden, da er die Zuständigkeit für das Verfahren abweichend vom vorherigen Eröffnungsbeschluss ändert. Eine konkludente Übernahme durch einen Verbindungsbeschluss ist daher nicht möglich, es sei denn, das Gericht macht seinen Willen zur Übernahme in der Verbindung zweifelsfrei deutlich. In dem Vermerk sieht der 4. Strafsenat lediglich eine Absichtsbekundung des Kammervorsitzenden. Das Verfahren hätte also nach expliziter Prüfung des Antrags durch den gesamten Spruchkörper auch noch abgelehnt werden können.

Verfahrenshindernis führt zur Zurückverweisung

Die mangelnde sachliche Zuständigkeit führt laut BGH - im Gegensatz zu anderen Prozesshindernissen - nicht zu einer Einstellung, sondern nach § 355 StPO zu einer Verweisung der Sache an das zuständige Gericht, das Amtsgericht Münster. In der neuen Verhandlung darf nach § 358 Abs. 2 StPO keine höhere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe ausgesprochen werden.

BGH, Beschluss vom 21.10.2020 - 4 StR 290/20

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2020.