Falsche Rechtsmittelbelehrung führt nicht zur Fristwahrung

Legt ein Rechtsanwalt wegen einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung die Berufung beim falschen Gericht ein, kann er das Fristversäumnis durch erneute Einlegung beim zuständigen Gericht beheben – eine Verweisung ist aber nicht möglich. In der Regel liegt ein unverschuldeter Rechtsirrtum vor. Dies führt aber nicht zur Fristwahrung durch die fehlerhaft eingelegte Rechtsmittelschrift, wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22.10.2020 entschieden hat.

AG erteilt falsche Rechtsmittelbelehrung

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft lagen über die Nutzung einer Terrasse und über die Pflicht zur Erstellung von Jahresabrechnungen im Streit. Das AG Duderstadt bezeichnete in der Rechtsmittelbelehrung seines Urteils – fälschlicherweise – das LG Göttingen als zuständiges Berufungsgericht. Dorthin richtete der Anwalt auch seine Rechtsmittelschrift. Die Göttinger Richter erteilten ihm den Hinweis, dass wegen der Spezialzuständigkeit für Wohnungseigentumssachen das LG Braunschweig zuständiges Berufungsgericht gemäß § 72 Abs. 2 GVG sei. Daraufhin beantragte der Jurist die Verweisung. Das LG Göttingen kam dem nicht nach und verwarf die Berufung als unzulässig: Durch die unrichtige Angabe des für allgemeine Zivilsachen zuständigen Berufungsgerichts möge zwar ein unverschuldeter Rechtsirrtum hervorgerufen worden sein, der eine Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist bei dem zuständigen Gericht rechtfertige. Einen Grund für eine Verweisung nach § 281 ZPO stelle dies aber nicht dar.

BGH: In aller Regel unverschuldeter Rechtsirrtum des Anwalts

Das sah der BGH nun genauso und verwarf die Rechtsbeschwerde des Anwalts als unzulässig. Aus Sicht der Bundesrichter konnte er die Berufung nicht fristwahrend bei dem LG Göttingen einlegen. Dieses habe den Rechtsstreit daher zu Recht nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an das zuständige LG Braunschweig verwiesen. Dem V. Zivilsenat zufolge begründet die unrichtige Belehrung durch das AG Duderstadt über das nach § 72 Abs. 2 GVG zuständige Berufungsgericht keinen Ausnahmefall, in dem die Berufung fristwahrend bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht eingelegt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliege jedoch ein Rechtsanwalt in aller Regel einem – zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumung führenden – unverschuldeten Rechtsirrtum, wenn er die Berufung in einer Wohnungseigentumssache aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen, sondern bei dem für allgemeine Zivilsachen maßgeblichen Berufungsgericht einlege. Damit werde der durch das Gericht hervorgerufene Fehler hinreichend kompensiert.

BGH, Beschluss vom 22.10.2020 - V ZB 45/20

Redaktion beck-aktuell, 1. Dezember 2020.