Fahrt ohne Zulassung ist keine Steuerhinterziehung

Wer mit einem nicht zugelassen Fahrzeug fährt und dies nicht gegenüber den Finanzbehörden anzeigt, macht sich nicht auch wegen Steuerhinterziehung strafbar. Der Bundesgerichtshof hat eine zuvor offengelassene Fragestellung dahingehend entschieden, dass auch die Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) keine ausreichende Grundlage für eine Strafbarkeit bietet.

Flucht über fünfzehn Kilometer

Ein junger Mann war vom LG Detmold vornehmlich wegen Verkehrsdelikten zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden. In einem der Fälle war er ohne Führerschein mit einem nicht zugelassenen Fahrzeug unterwegs. Als eine Polizeistreife trotz Dublettenkennzeichen (ursprünglich für einen anderen Wagen ausgegeben) auf ihn aufmerksam geworden war, flüchtete der Mann, wobei er innerorts Geschwindigkeiten von bis zu 120 km/h erreichte und außerorts sogar in der Spitze 180 km/h auf dem Tacho standen. Nach einer Strecke von 15 Kilometern brachen die Beamten die Verfolgung ab. Eine Kollision mit einer Schülergruppe vermied der Flüchtende dabei nur knapp. Das LG wertete dies als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, mit einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen, mit Urkundenfälschung, mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und mit Steuerhinterziehung. Seine Revision führte im Ergebnis nicht zu einer geringeren Strafe, aber das Finanzdelikt beschäftigte den BGH näher.

Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot

Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung überzeugte den 1. Strafsenat dabei nicht. Diese könne nicht auf § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 KraftStDV wegen fehlender Mitteilung der vorschriftswidrigen Fahrt gegenüber den Finanzbehörden gestützt werden. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen setze voraus, dass der Bürger zu einer entsprechenden Anzeige verpflichtet sei. Hier käme nur die Mitteilungspflicht aus dem 2017 eingeführten § 15 Abs. 1 KraftStDV in Betracht. In einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2018 hatte der Senat die Frage noch offengelassen, da die Tat sich vor Einführung der Regelung ereignet hatte. Nunmehr stellte der BGH klar, dass die bloß aus einer Verordnung stammende Pflicht nicht ausreicht, um der Blankettstrafnorm des § 370 AO als Grundlage zu dienen. Art. 103 Abs. 2 GG verlange, dass die Strafbarkeit eines Verhaltens vorhersehbar sein müsse. Verordnungen dürften die Umstände allenfalls konkretisieren.

BGH, Beschluss vom 15.12.2022 - 1 StR 295/22

Redaktion beck-aktuell, 9. Februar 2023.