Face­book darf Pseud­ony­me nicht ge­ne­rell ver­bie­ten
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Das so­zia­le Netz­werk Face­book muss sei­nen Nut­zern in be­stimm­ten Fäl­len er­lau­ben, Pseud­ony­me zu ver­wen­den. Die Klar­na­men­pflicht sei un­wirk­sam, ur­teil­te der Bun­des­ge­richts­hof heute mor­gen. Al­ler­dings gal­ten für die bei­den Klä­ger noch alte Nut­zungs­be­din­gun­gen aus dem Jahr 2015 und von An­fang 2018 – seit Mai 2018 ist in der EU mit der DS-GVO ein neues Da­ten­schutz­recht ma­ß­geb­lich.

Den All­tags­na­men ver­langt

Hass und Hetze im In­ter­net rüt­teln die Po­li­tik schon seit lan­gem auf. Po­li­ti­ker und Webak­ti­vis­ten haben ge­le­gent­lich hit­zig über die For­de­rung ge­strit­ten, die Nut­zer so­zia­ler Netz­wer­ke per Ge­setz zur An­ga­be ­ihres tat­säch­li­chen Na­mens zu ver­pflich­ten, um Opfer von Hass und Hetze zu schüt­zen. Die Platt­form Face­book des nun­mehr in Meta um­be­nann­ten Kon­zerns aus ­Kalifornien ver­langt dies von sich aus von den welt­weit fast zwei Mil­li­ar­den Men­schen, die dort einen Ac­count ein­ge­rich­tet haben. In Deutsch­land zogen hier­ge­gen zwei Kun­den vor Ge­richt. Nach den da­ma­li­gen Nutzungs­bedingungen müs­sen sie den Namen ver­wen­den, den sie auch im täg­li­chen Leben ge­brau­chen.

Heik­les Video ge­pos­tet - Vor­in­stan­zen un­ei­nig

Einer der bei­den Klä­ger hatte als Pro­fil­na­men das Pseud­onym "Guy Mon­tag" an­ge­ge­ben. Nach­dem er auf Nach­fra­ge nicht be­stä­tigt hatte, dass es sich um sei­nen All­tags­na­men han­de­le, sperr­te das Un­ter­neh­men sein Konto, bis er sei­nen Klar­na­men ein­trug. Zuvor hatte er dort ein blut­rüns­ti­ges Video, das schwar­ze Kan­ni­ba­len und einen tan­zen­den Adolf Hit­ler zeig­te, sowie ­Parolen ver­öf­fent­licht, wes­we­gen er nach ei­ge­nen An­ga­ben Re­pres­sa­li­en der "lin­ken Szene" fürch­te­te. Das LG Traun­stein lehn­te sei­nen Wunsch ab, zum Pseud­onym zu­rück­keh­ren zu kön­nen. In dem zwei­ten Fall hatte der An­bie­ter den Ac­count einer Frau ge­sperrt, weil sie der Auf­for­de­rung zur Än­de­rung ihres Fan­ta­sie­na­mens nicht nach­kam. Das LG In­gol­stadt ver­warf hin­ge­gen die "Wahre-Namen-Po­li­tik": Es rei­che aus, dass Nut­zer beim Re­gis­trie­ren ihre wirk­li­che Iden­ti­tät preis­ge­ben müss­ten. Daher über­wie­ge deren In­ter­es­se, ihre Mei­nung an­onym äu­ßern zu kön­nen. Das OLG Mün­chen be­fand so­dann in bei­den Ver­fah­ren, § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG ge­bie­te es nicht, Ver­trags­part­nern den Ge­brauch der Diens­te unter einem Pseud­onym zu er­lau­ben. Zwar habe ein An­bie­ter dem­nach die Nut­zung von ­Telemedien an­onym oder pseud­onym zu er­mög­li­chen, "so­weit dies tech­nisch mög­lich und zu­mut­bar ist". Doch hier sei die DS-GVO vor­ran­gig, und der deut­schen De­le­ga­ti­on sei es im Norm­set­zungs­ver­fah­ren ge­ra­de nicht ge­lun­gen, darin ein Recht auf einen Alias-Namen zu ver­an­kern. Der Kon­flikt zwi­schen den bei­den Re­gel­wer­ken sei durch eine uni­ons­rechts­kon­for­me Aus­le­gung auf­zu­lö­sen.

Klar­na­men bei Re­gis­trie­rung reicht

Das hat der Bun­des­ge­richts­hof nun deut­lich an­ders ge­se­hen: Die vom OLG zu­ge­las­se­nen Re­vi­sio­nen der bei­den Klä­ger hat­ten über­wie­gend Er­folg. Der III. Zi­vil­se­nat ver­ur­teil­te den Platt­form­be­trei­ber dazu, dass "Guy Mon­tag" sei­nen Pro­fil­na­men wie­der in ein Pseud­onym än­dern darf und mit die­sem auf sei­nen Ac­count zu­grei­fen kann. Die Vor­ga­be, den All­tags­na­men zu ge­brau­chen, ist dem Ur­teil zu­fol­ge un­wirk­sam, weil sie den Mann ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­lig­te, als sie im April 2018 in den Nut­zungs­ver­trag ein­be­zo­gen wurde. Denn sie sei mit dem in Grund­ge­dan­ken von § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG in der bis zum 30.11.2021 gel­ten­den Fas­sung nicht zu ver­ein­ba­ren – näm­lich dass Diens­te­an­bie­ter die Nut­zung der Te­le­me­di­en an­onym oder unter Pseud­onym er­mög­li­chen müs­sen, so­weit dies tech­nisch mög­lich und zu­mut­bar ist. Eine um­fas­sen­de Wür­di­gung und Ab­wä­gung der wech­sel­sei­ti­gen In­ter­es­sen unter Ein­be­zie­hung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der EU-Da­ten­schutz-Richt­li­nie von 1995 er­ge­be zwar, dass es dem In­ter­net­kon­zern nicht zu­mut­bar ge­we­sen sei, die Nut­zung sei­nes Netz­werks zu er­mög­li­chen, ohne dass der je­wei­li­ge User ihm zuvor – etwa bei der Re­gis­trie­rung – im In­nen­ver­hält­nis sei­nen ech­ten Namen mit­ge­teilt hat. Aber die an­schlie­ßen­de Ver­wen­dung der Diens­te unter einem Pseud­onym könne von Face­book ver­langt wer­den. "Die Un­wirk­sam­keit der Be­stim­mung zur Klar­na­men­pflicht führt dazu, dass die Be­stim­mung er­satz­los weg­fällt. In der Folge hat der Klä­ger gegen die Be­klag­te einen An­spruch dar­auf, das Netz­werk unter einem Pseud­onym zu nut­zen", fas­sen die Bun­des­rich­ter ihren Spruch in einer Pres­se­mit­tei­lung zu­sam­men.

Aber was sagt die DS-GVO dazu?

Auch die ge­sperr­te Frau darf ihren Fan­ta­sie­na­men ver­wen­den und wie­der Fotos, Filme und Texte ver­brei­ten. Denn auch die Be­stim­mung zur Klar­na­men­pflicht in den für sie ma­ß­geb­li­chen Nut­zungs­be­din­gun­gen von Face­book zum Stand vom 30.01.2015 sei un­wirk­sam. Von deren Un­wirk­sam­keit habe der Senat be­reits gemäß § 11 Satz 1 UKlaG wegen eines Un­ter­las­sungs­ur­teils des Land­ge­richts Ber­lin vom 16.01.2018 in einem Ver­bands­kla­ge­ver­fah­ren aus­zu­ge­hen. Face­book darf sich da­nach ge­gen­über Ver­brau­chern, die ihren stän­di­gen Auf­ent­halts­ort in Deutsch­land haben, nicht dar­auf be­ru­fen. Aber die Karls­ru­her Höchst­in­stanz be­ton­te auch: In bei­den Ver­fah­ren kam es nicht auf die Vor­ga­ben der Da­ten­schutz-Grund­ver­ord­nung an, weil diese erst seit dem 25.05.2018 gilt und es für die Rechts­la­ge auf den Zeit­punkt der Ein­be­zie­hung der je­wei­li­gen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ins Ver­trags­ver­hält­nis ankam. Wie es unter deren Re­gime aus­sieht, ließ der BGH offen.

BGH, Urteil vom 27.01.2022 - III ZR 3/21

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 27. Januar 2022.

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