Die in der Schweiz ansässige Herstellerin des bekannten modularen Möbelsystems "USM Haller" streitet sich mit einer Online-Händlerin, die zunächst in ihrem Online-Shop nur Ersatz- und Erweiterungsteile für das Möbelsystem angeboten hatte. Dann gestaltete sie ihren Online-Shop neu und listete fortan sämtliche Komponenten auf, die für den Zusammenbau vollständiger "USM Haller"-Möbel erforderlich sind. Außerdem bot sie ihren Kunden einen Montageservice an, der die gelieferten Einzelteile beim Kunden zu einem vollständigen Möbelstück zusammenfügte. Das ging der Herstellerin des Originals dann doch zu weit. Sie klagte und stützte sich dabei auf ihr Urheberrecht sowie hilfsweise auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.
Das OLG sah in dem Möbelsystem kein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG. Es erfülle nicht die Anforderungen, die der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung an ein Werk stelle: Die Gestaltungsmerkmale seien nicht Ausdruck freier kreativer Entscheidungen.
Wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestand das OLG der Herstellerin aber zu. Die Gestaltungsmerkmale des Möbelsystems wiesen nach ihrem Gesamteindruck auf die Herstellerin hin, sodass das System wettbewerbliche Eigenart habe. Das Angebot der Online-Händlerin sei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG unlauter, weil es die Abnehmer in vermeidbarer Weise über die betriebliche Herkunft der angebotenen Produkte täusche. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Revision eingelegt. Die "USM Haller"-Herstellerin verfolgt ihre vom OLG abgewiesenen urheberrechtlichen Ansprüche weiter, die Online-Händlerin will die Klage vollständig abgewiesen wissen.
BGH: Drei Fragen an den EuGH
Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung zum Werkbegriff gebeten. Er möchte wissen, ob das OLG Recht hat, wenn es mit Blick auf den für Werke der angewandten Kunst ebenfalls in Betracht kommenden Schutz als Geschmacksmuster oder Design von einem Ausnahmecharakter des Urheberrechtsschutzes mit der Folge ausgeht, dass bei der Prüfung der urheberrechtlichen Originalität dieser Werke höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind als bei anderen Werkarten.
Der BGH fragt sich außerdem, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität (auch) auf die subjektive Sicht des Schöpfers beim Schöpfungsprozess abzustellen ist und er insbesondere die kreativen Entscheidungen bewusst treffen muss oder aber ob es auf einen objektiven Maßstab ankommt.
Bislang nicht eindeutig geklärt sei auch, ob bei der Beurteilung der Originalität nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Gestaltung eingetretene Umstände herangezogen werden können, wie etwa die Präsentation der Gestaltung in Kunstausstellungen oder Museen oder ihre Anerkennung in Fachkreisen.