Erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
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An den erstmaligen Antrag, eine Berufungsbegründungsfrist zu verlängern, dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Dieser muss laut Bundesgerichtshof begründet werden, aber der Hinweis auf Arbeitsüberlastung oder ähnliche Hindernisse genügt in der Regel. Auch wenn aus Parallelverfahren eine abweichende Spruchpraxis des Gerichts bekannt sei, dürfe der Anwalt auf eine gesetzmäßige Entscheidung vertrauen.

Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt

In einer sogenannten Dieselsache gingen die Kläger in Berufung. Wegen Arbeitsüberlastung und ähnlicher Terminschwierigkeiten beantragte die bearbeitende Prozessbevollmächtigte die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Das Oberlandesgericht Naumburg lehnte ab, weil ihm die Begründung nicht ausreichte. Die Kläger legten nach: Die Rechtsanwältin sei im Urlaub gewesen und deshalb jetzt akut überlastet. Das OLG hielt das für nicht glaubhaft - die Begründung sei ausgetauscht worden. Daraufhin reichte die Anwältin die Berufungsbegründung ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Berufung wurde wegen Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen und das Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt. Die Naumburger Richter bemängelten die Praxis der Anwältin, mehr Fälle anzunehmen, als sie bewältigen könne. Die Überlastung sei vorhersehbar gewesen. Die Kläger wandten sich hilfesuchend an den Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Über höchstrichterliche Rechtsprechung hinausgegangen

Der VI. Zivilsenat bestätigte zunächst seine Rechtsprechung, wonach die Prozessbevollmächtigte für eine erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nur darlegen muss, dass sie überlastet ist, sich noch einmal mit ihrer Mandantschaft abstimmen muss oder ähnliche Hindernisse bestehen. An diese Begründung seien keine hohen Anforderungen zu stellen, insbesondere sei es nicht erforderlich, die Gründe weiter zu substanziieren. Mit einer zusätzlichen Bedingung, dass die Arbeitsüberlastung unvorhergesehen sein müsse, hat das OLG nach Ansicht der Karlsruher Richter die Rechtsprechung des BGH entscheidend verengt - noch dazu mit einem Kriterium, welches kaum objektiv sei. Die Anwältin habe sich auf die Fristverlängerung auch verlassen dürfen: Die Spruchpraxis des OLG sei ihr zwar aus Parallelverfahren bekannt gewesen, aber "auf eine rechtswidrige Spruchpraxis braucht sich der Staatsbürger nicht einzustellen", so der BGH. Er hob den Beschluss auf und verwies die Sache an das OLG zurück.

BGH, Beschluss vom 14.09.2021 - VI ZB 58/19

Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2021.