"Erstattung" von Unterbringungskosten für Flüchtlinge

Wer eine Beherbergungsstätte betreibt und wohnungslose Menschen unterbringt, die ihm vom Jobcenter zugewiesen werden, kann das vereinbarte Entgelt vor den Sozialgerichten einklagen. Der ordentliche Rechtsweg ist dem Bundesgerichtshof zufolge versperrt, weil der Streit um die Unterbringungskosten eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit sei.

Privater Betrieb einer Gemeinschaftsunterkunft für Bedürftige

Eine Betreiberin von Obdachlosenheimen meldete freie Plätze unter anderem an Berliner Jobcenter, die ihr Flüchtlinge und Asylbewerber zuwiesen. Für vier ihrer Gemeinschaftsunterkünfte schloss sie mit dem Land Berlin sogenannte Betreiberverträge, wonach sie bestimmte Kapazitäten für die vorübergehende Unterbringung bedürftiger Personen zur Verfügung stellte. Dafür erhielt sie auf Grundlage von Kostenübernahmeerklärungen der Jobcenter einen bestimmten Tagessatz. In den Bescheinigungen zur Kostenübernahme wurde ein Vertragsverhältnis zwischen dem Land Berlin und der Unterkunftsanbieterin ausgeschlossen. 

Streit um richtigen Rechtsweg

Nach der fristlosen Kündigung des Betreibervertrags durch das Land klagte die Herbergsmutter vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung von rund 20.000 Euro für die Unterbringung Bedürftiger im Jahr 2017. Die Parteien streiten sich in einem Zwischenverfahren zunächst nur über den Rechtsweg: Das LG Berlin und das Kammergericht nahmen den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten an. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin.

Kostenübernahmeschein ist öffentlich-rechtlicher Natur

Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gericht alle bürgerlichen Streitigkeiten, für die nicht andere Gerichtsbarkeiten zuständig sind. Der Bundesgerichtshof hält hier die Zuständigkeit des Sozialgerichts nach § 51 Abs. 1 SGG für gegeben, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über die Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach den §§ 19 Abs. 1 Satz 3,  22 SGB II handele. Außerdem stütze die Betreiberin ihre Ansprüche mit den Kostenübernahmebescheinigungen auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 1 AG-SGB II Berlin - eine öffentlich-rechtliche Norm.

Keine Verpflichtung zur Schuldübernahme

Das KG hatte in den Kostenübernahmescheinen eine "zumindest auch-privatrechtliche" Schuldmitübernahme gesehen. An dieses aus seiner Sicht falsche Auslegungsergebnis sah sich der Senat nicht gebunden. Eine Schuldübernahme setze einen Vertrag voraus, den die Behörde mit der Betreiberin gerade nicht eingehen wollte. Die Bescheinigung sei einzig und allein eine Information für die Betreiberin, dass die "Miete" für den Leistungsberechtigten nach § 22 Abs. 7 SGB II direkt an sie gezahlt wird. Damit ist diese Erklärung laut den Karlsruher Richtern nur als reine Erfüllungsübernahme einzuordnen.

Betreibervertrag auch öffentlich-rechtlich

Soweit die Herbergsmutter ihre Ansprüche auch auf den Betreibervertrag stützte, ist dem VIII. Zivilsenat zufolge ebenfalls der Rechtsweg zum Sozialgericht eröffnet: Der Streitgegenstand, die Kosten der Unterkunft für Bedürftige, ist die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Der Betreibervertrag sei daher ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - VIII ZB 20/20

Redaktion beck-aktuell, 8. April 2021.