Erstattung des Reisepreises bei pandemiebedingter Ungewissheit des Rückflugs
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© CHROMORANGE / Michael Bihlmayer

Die Frage, ob die Beförderung an den Urlaubsort erheblich beeinträchtigt ist, darf nicht allein mit Blick auf die Anreise beurteilt werden. Laut Bundesgerichtshof kann auch die Frage, ob die Rückreise gesichert ist, von Bedeutung sein. Daher könne dem Reisenden bereits die Anreise nicht zugemutet werden, wenn die Möglichkeiten der Abreise ungewiss seien. Diese außergewöhnlichen Umstände fielen in den Risikobereich des Veranstalters.

Rücktritt von Pauschalreise kurz vor Abflug

Ein Urlauber verklagte einen Reiseveranstalter auf Rückzahlung des Entgelts für eine Pauschalreise in Höhe von 2.335 Euro. Im Oktober 2019 hatte er bei dem Veranstalter eine einwöchige Motorradtour durch Marokko gebucht, die im März 2020 stattfinden sollte. Den Hin- und Rückflug buchte er gesondert. Am 14.03.2020, kurz vor Abflug, erklärte ein Mitreisender per Textnachricht dem Veranstalter, dass er und der Kläger die Reise nicht anträten. Ihnen sei mitgeteilt worden, der Flughafen in Marrakesch sei wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie ab dem 15.03.2020 "zu". Das Unternehmen weigerte sich, das Entgelt zu erstatten.

Wirksamer Rücktritt

Sowohl das AG Oranienburg als auch das LG Neuruppin verurteilten den Beklagten, den Reisepreis zurückzuzahlen. Der Kläger sei wirksam vom Reisevertrag zurückgetreten. Der Veranstalter könne keine Entschädigung verlangen, da die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB erfüllt seien. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei dem Kläger bekannt gewesen, dass der Flugverkehr nach und von Marokko wegen der Ausbreitung des Corona-Virus unmittelbar nach dem Hinflug eingestellt werde und sein Rückflug nicht sichergestellt sei. Wegen der großen Ungewissheit bezüglich der Möglichkeit der Abreise sei ihm daher schon die Anreise nicht zumutbar gewesen. Dagegen legte der Veranstalter die Revision beim BGH ein – ohne Erfolg.

Auch die Rückreise muss möglich sein

Der X. Zivilsenat stimmte den Ausführungen des LG im Ergebnis zu. Es habe zu Recht erkannt, dass die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort aufgrund der in Marokko angeordneten Einstellung des regulären Flug- und Fährverkehrs wegen Ausbruchs der Corona-Pandemie erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Damit wäre die Rückreise des Klägers mit erheblichen Unsicherheiten verbunden gewesen. Der Umstand, dass sowohl die Anreise als auch die Durchführung der Pauschalreise isoliert betrachtet ohne wesentliche Beeinträchtigungen möglich gewesen wären, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dabei sei die Frage, ob die Beförderung an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt ist, nicht allein danach zu beurteilen, ob der Reisende diesen Ort ohne Beeinträchtigungen erreichen könne. Vielmehr kann den Bundesrichtern zufolge auch von Bedeutung sein, ob der Reisende davon ausgehen kann, dass die Rückreise ebenfalls ohne wesentliche Beeinträchtigungen möglich sein wird. Deshalb könne ihm die Anreise in der Regel nicht zugemutet werden, wenn ungewiss sei, wie und wann er den Bestimmungsort nach Abschluss der Reise verlassen könne. Unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände fielen in den Risikobereich des Reiseveranstalters.

BGH, Urteil vom 28.02.2023 - X ZR 23/22

Redaktion beck-aktuell, 31. März 2023.