Ersatzfähigkeit vorprozessualer Rechtsanwaltskosten

Ob eine außergerichtliche anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr auslöst oder als Vorbereitung der Klage mit der Verfahrensgebühr abgegolten ist, richtet sich nach Art und Umfang des Mandats. Laut Bundesgerichtshof sind berufungsgerichtliche Feststellungen, wonach der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten nach Unterbleiben des Zahlungseingangs "beauftragt" hat, unzureichend. Auf dieser Grundlage könne eine Verurteilung keinen Bestand haben.

Parkettfirma schaltet Anwalt ein

Eine Parkettverlegerin verlangte von ihrer Kundin die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 671 Euro. Eine Teilrechnung vom Mai 2018 über 3.570 Euro sowie eine Schlussrechnung vom Juni 2018 über weitere 3.911 Euro enthielten den Zusatz: "Zahlung: Innerhalb 8 Kalendertagen nach Rechnungsdatum ohne Abzug". Nachdem die Auftraggeberin die offene Geldsumme von 7.481 Euro trotz zweimaliger Aufforderung – umgehende Überweisung bis spätestens 09.07.2018 bzw. Zahlungsfrist bis zum 16.07.2018 – nicht zahlte, beauftragte die Unternehmerin ihren Anwalt in der Sache. Dieser forderte die säumige Schuldnerin neun Tage später auf, den Betrag zuzüglich Zinsen, vorgerichtlichen Mahnkosten und Kosten seiner Beauftragung von 613 Euro zu begleichen. Daraufhin zahlte die Kundin zunächst 3.911 Euro und während des über den Restbetrag einschließlich Zinsen und Kosten eingeleiteten Mahnverfahrens weitere 3.570 Euro. Sowohl beim AG Solingen als auch beim LG Wuppertal bekam die Klägerin mit Blick auf die Gebühren Recht: Kosten der Rechtsverfolgung seien nach § 286 BGB zu ersetzen, wenn sie nach Verzugseintritt entstanden seien, so die Begründung. Da die Kundin auf Zahlungsaufforderungen nicht reagiert habe, habe die Firma mit der Einschaltung eines Anwalts reagieren dürfen. Die Revision der Beklagten beim BGH hatte vorerst teilweise Erfolg.

Art und Umfang des erteilten Mandats sind entscheidend

Dem VII. Zivilsenat zufolge rechtfertigen die Feststellungen des LG keine Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die obersten Zivilrichter und Zivilrichterinnen beanstandeten, dass das LG lediglich festgestellt habe, dass die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten nach Unterbleiben des Zahlungseingangs "beauftragt" habe – zu Art und Umfang des Mandats sich aber nicht geäußert habe. Laut BGH muss das LG der Klägerin Gelegenheit zur Erklärung geben. Dann werde es auch den in der Revisionsinstanz von der Beklagten gestellten Berichtigungsantrag nach § 319 ZPO bescheiden können. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgelöst worden sei, werde es sich auch mit den Einwendungen im Zusammenhang mit der Frage auseinandersetzen können, ob eine Zahlung der Unternehmerin an ihren Anwalt offenbleiben könne – vorausgesetzt, das Bestreiten dieser Zahlung, die ausweislich des Amtsgerichts unstreitig war, durch die Beklagte nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei. Der BGH verwies die Sache daher zur weiteren Überprüfung an das LG zurück.

BGH, Urteil vom 24.02.2022 - VII ZR 320/21

Redaktion beck-aktuell, 4. April 2022.