Ersatz für Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens bei verspätetem Insolvenzantrag
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Zögert ein Geschäftsführer das als unabwendbar erkannte Ende seiner Firma vorsätzlich hinaus und nimmt dabei die Schädigung der Gläubiger in Kauf, ist dies eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB. Laut Bundesgerichtshof betrifft dies etwa Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer Firma getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit mit Kosten belastet werden. Umfasst seien auch die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens.

Kunde beanstandet Verletzung der Insolvenzantragspflicht

Ein Kunde verlangte vom Geschäftsführer eines Fassadenunternehmens Schadensersatz für Gerichts-, Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5.859 Euro, da dieser zu spät Insolvenzantrag gestellt habe. Er hatte den Betrieb mit Werkleistungen beauftragt und aufgrund von Mängeln ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet. Im Dezember 2016 erging Strafbefehl gegen den Firmenleiter wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung. Zeitgleich kam es zu Zwangsvollstreckungen gegen die GmbH, über deren Vermögen schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Im Juni 2017 lehnte es der Insolvenzverwalter der Gesellschaft mangels ausreichender Masse ab, Kosten für die Vergütung des Sachverständigen zu tragen. Das LG Karlsruhe verurteilte den Chef antragsgemäß. Das dortige Oberlandesgericht wies dessen Berufung zurück und bejahte einen Anspruch der Kundschaft aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO: Der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit des Betriebs habe seit dem 01.12.2015 bestanden. Insofern hätte der Chef unverzüglich, spätestens nach drei Wochen einen Eröffnungsantrag stellen müssen, so die Begründung. Dagegen legte der Geschäftsführer beim BGH Revision ein – ohne Erfolg.

BGH: Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens sind erstattungsfähig

Der BGH stimmte dem OLG im Ergebnis zu. Dem Auftraggeber stehe allerdings ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Insolvenzverschleppung aus § 826 BGB zu. Der Geschäftsführer habe die ihn treffende Insolvenzantragspflicht vorsätzlich verletzt und den Kunden dadurch sittenwidrig geschädigt. Dem II. Zivilsenat zufolge war die GmbH seit dem 01.12.2015 zahlungsunfähig im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO. Die Richter monierten, dass der Betriebsleiter seiner aus § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. folgenden Insolvenzantragspflicht nicht nachgekommen sei. Damit habe er das als unabwendbar erkannte Ende seines Unternehmens vorsätzlich so lange wie möglich hinausgezögert und durch dessen Fortführung trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit die Schädigung des Gläubigers billigend in Kauf genommen. Aus Karlsruher Sicht erfasst der Schutzbereich des § 826 BGB auch den Ersatz der Kosten, die dem Vertragspartner der GmbH dadurch entstanden, dass er mit Blick auf das vor der Insolvenzreife begründete Vertragsverhältnis ein – durch die wirtschaftliche Lage sinnloses – selbstständiges Beweisverfahren führte.

BGH, Urteil vom 27.07.2021 - II ZR 164/20

Redaktion beck-aktuell, 20. August 2021.