Zwei Männer beschlossen, einen Dritten in dessen Haus zu überfallen und die Herausgabe von Bargeld und anderen Wertgegenstände zu erzwingen. Da der eine Täter dem Opfer bekannt war, sollte der Geschädigte ihn nicht zu Gesicht bekommen. Er wartete draußen im Auto, während sein Mittäter allein in das Haus eindrang und den schwer lungenkranken Eigentümer niederrang. Das Opfer gab angesichts seiner hoffnungslosen Unterlegenheit schnell auf und erklärte sich bereit, 3.000 Euro Bargeld zu übergeben. Nach circa einer halben Stunde kam der Fahrer ebenfalls ins Haus. Irgendwann entschied er sich, den Überfallenen zu erwürgen, da er wohl davon ausging, erkannt worden zu sein. Für seinen Mittäter kam die Tötung überraschend, aber er hinderte den anderen auch nicht an dessen Tun, sondern stand einfach nur daneben.
Der unmittelbare Täter wurde wegen Mordes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei dem anderen taten sich die Richterinnen und Richter schwer: Zunächst verurteilten sie ihn nur zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren wegen räuberischer Erpressung, weil ihnen eine Verantwortlichkeit für den Tod des Geschädigten fehlte. Nach erfolgreicher Revision durch die Nebenklage verurteilte ihn das LG Rottweil wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten. Auch dieses Urteil befriedigte die Nebenklage nicht; sie hielt auch diesen Täter für den Tod des Angehörigen für verantwortlich. Desgleichen der BGH (Urteil vom 23.01.2024 – 1 StR 189/23): Er änderte nun den Schuldspruch auf erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und verwies die Sache zur Findung des Strafausspruchs erneut zurück.
Erpresserischer Menschenraub begründet Verantwortung für Opfer-Gesundheit
Der 1. Strafsenat stellte fest, dass § 239a StGB (erpresserischer Menschenraub) nicht nur die Willensfreiheit des Genötigten schützt, sondern auch dessen körperliche Integrität. Jeder, der sich eines Menschen bemächtige, um ihn zu erpressen, zeichne sich daher auch für das körperliche Wohl und Wehe des Opfers verantwortlich. Die Karlsruher Richterinnen und Richter begründen das mit der Gefahrenlage, die mit der Begehung der Tat für die Geisel einhergeht. Deren Verletzung oder Tötung stelle sich als ständig gegenwärtige, sofort vollziehbare Aktualität dar, wobei die Eskalationsgefahr mit zunehmender Dauer der Gefangenschaft regelmäßig zunehme. Daher habe sich mit dem Tod des Hauseigentümers das deliktsspezifische Risiko verwirklicht. Gerade der Umstand, dass der Täter, der dem Opfer persönlich bekannt war, das Haus ebenfalls betreten hatte, habe für die Geisel eine brandgefährliche Situation geschaffen.
Obwohl die Tötung durch den Fahrer nicht zum gemeinsamen Tatplan gehörte, rechnet der 1. Strafsenat den Exzess dem Angeklagten dennoch zu, weil der Fahrer kein Dritter, sondern Mittäter des erpresserischen Menschenraubs war. Für die Todesfolge sei nach § 239a Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 18 StGB nur Leichtfertigkeit vonnöten, die der BGH problemlos bejahte.