Erneute Zeugenvernehmung im zivilgerichtlichen Berufungsverfahren

Ein Berufungsgericht muss eine Zeugin selbst vernehmen, wenn es ihre Glaubwürdigkeit anders bewerten will als die Vorinstanz. Anderenfalls verletze es das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nun bestätigt und die Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Das Ende einer zehnjährigen Lebensgemeinschaft 

Zwei Lebensabschnittgefährten stritten sich nach ihrer Trennung um bereicherungsrechtliche Ansprüche in Höhe von rund 50.000 Euro. Das Landgericht Gießen hatte die Klage nach Vernehmung der Tochter der Klägerin abgewiesen. Dabei hatte es deren Aussage als sehr unsicher bezeichnet und die Zeugin als nicht glaubwürdig eingestuft. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hingegen gab der Klage ohne erneute Beweisaufnahme statt und ließ die Revision nicht zu. Der Verurteilte wandte sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Verletzung rechtlichen Gehörs

Will das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit einer Zeugin anders beurteilen oder dessen Aussage anders verstehen als die Vorinstanz, ist es dem XII. Zivilsenat zufolge verpflichtet, die Zeugin erneut zu vernehmen. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen hätten die Frankfurter Richter nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine erneute eigene Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage und Glaubwürdigkeit der Zeugin vornehmen müssen. Ohne diese erneute Einvernahme haben sie laut BGH das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei verletzt. Die Karlsruher Richter hoben das Urteil auf und verwiesen die Sache nach Frankfurt zurück.

BGH, Beschluss vom 27.01.2021 - XII ZR 21/20

Redaktion beck-aktuell, 26. Februar 2021.