Erneute Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren

Auch das Beschwerdegericht muss den Betroffenen eines Betreuungsverfahrens grundsätzlich selbst anhören. Daran ändert sich laut Bundesgerichtshof nichts, wenn es das Verfahren ans Amtsgericht zur Nachholung der Anhörung im Abhilfeverfahren zurückgegeben hat. Eine fehlerhafte oder unterbliebene erstinstanzliche Anhörung könne dort regelmäßig weder geheilt noch nachgeholt werden.

Betroffene und deren Mutter nicht mit der Betreuerin einverstanden

Eine Frau und ihre Mutter wandten sich gegen die Einrichtung einer Betreuung für die Tochter. Diese hatte das AG Offenbach am Main für sie im Juni 2020 eingerichtet und eine Berufsbetreuerin bestellt, nachdem sie einige Monate zuvor von der Polizei stark verwahrlost und unterernährt in Gewahrsam genommen und in eine Klinik gebracht worden war. Nach eigenen Angaben hatte sie ihr Elternhaus seit 30 Jahren nicht mehr verlassen. Auf die Beschwerden der beiden hob das LG Darmstadt den Nichtabhilfebeschluss auf und verwies die Sache zur erneuten Abhilfeprüfung an das AG zurück. Es habe das von ihm eingeholte Gutachten der Betroffenen nicht bekannt gegeben und sie dazu nicht angehört, so die Begründung. Im Anschluss an die nachgeholte Anhörung erklärten die Frauen, dass sie unter der Bedingung eines Betreuerwechsels und einer Verkürzung der Überprüfungsfrist die Beschwerde zurücknehmen würden. Das AG verkürzte die Frist und bestellte eine andere Berufsbetreuerin. Die erneuten Beschwerden wies das LG nun aber zurück, da die Betreuerauswahl des AG nicht zu beanstanden sei. Die Mutter sei zur Übernahme der Betreuung ungeeignet. Die Sachverständige habe auf eine pathologische Abhängigkeit der Tochter von ihrer Mutter hingewiesen und daher von deren Bestellung ausdrücklich abgeraten. Die Rechtsbeschwerden hatten beim BGH Erfolg.

Regelmäßig keine Heilung von Anhörungsmangel im Abhilfeverfahren

Dem Familiensenat zufolge hat das LG unter Verstoß gegen §§ 278 Abs. 1 Satz 1, 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG ohne persönliche Anhörung der Frau entschieden. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen bestehe grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Daher hätte das LG sie erneut anhören müssen. Der XII. Zivilsenat betont, dass das LG von der Möglichkeit, von einer erneuten Anhörung der Betroffenen abzusehen (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), nicht Gebrauch habe machen können. Das vom AG durchgeführte Verfahren sei fehlerhaft gewesen, weil es die Erkrankte nicht nach Bekanntgabe des Gutachtens an sie angehört habe. Eine fehlerhafte oder unterbliebene erstinstanzliche Anhörung eines Betroffenen könne im Abhilfeverfahren regelmäßig weder geheilt noch nachgeholt werden. Der Umstand, dass das LG den ersten Nichtabhilfebeschluss des AG im Hinblick auf die unterbliebene Anhörung der Frau zum eingeholten psychiatrischen Gutachten aufgehoben und das Verfahren an das AG zur Nachholung dieser Verfahrenshandlung zurückgegeben habe, ändere daran nichts. Das LG habe den erstinstanzlichen Verfahrensfehler vielmehr dadurch beheben müssen, dass es im Beschwerdeverfahren die Betroffene selbst persönlich anhört. Der BGH verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Sie habe nun die Gelegenheit, sich mit den Einwendungen der Betroffenen gegen das vom AG eingeholte Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen.

BGH, Beschluss vom 15.06.2022 - XII ZB 13/22

Redaktion beck-aktuell, 8. Juli 2022.

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