Niedrige Beweggründe: Grundsatz der Spezialität

Verwirklicht ein Täter das spezielle Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht, kann ihm das Gericht nicht gleichzeitig niedrige Beweggründe dafür zur Last legen. Der BGH betonte, dass die speziellen Mordmerkmale die Allgemeinen verdrängen.

Ein Siebzehnjähriger hatte ein Auge auf den schicken Audi A3 eines Nachbarn geworfen. Er stellte sich vor, wie er mit diesem Wagen am nächsten Tag ein Mädchen von der Schule abholen und sie ihn dafür bewundern würde. Er ging also zu dem 83-jährigen Autobesitzer und bat um den Autoschlüssel – vergeblich. Daraufhin stach er den alten Mann spontan mit zehn Messerstichen nieder, nahm den Schlüssel und verschwand. Der Geschädigte verblutete innerhalb weniger Minuten in seiner Wohnung. Seine Leiche wurde erst zwei Tage später von der Polizei dort gefunden. Sie hatte gegen den Fahrzeughalter ermittelt, weil der A3 in einen Unfall verwickelt war.

Das Landgericht Arnsberg verurteilte den jungen Mann wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von 9 Jahren und drei Monaten. Die Richterinnen und Richter legten ihm dabei sowohl das Mordmerkmal "Ermöglichungsabsicht" als auch "niedrige Beweggründe" zur Last, weil es ihm darum ging, mit dem erbeuteten Wagen einer Frau zu imponieren. Seine Revision zum BGH war nun vorerst erfolgreich.

Keine doppelte Verwertung einer Tatsache

Der 4. Strafsenat lehnt es ab, den Handlungsantrieb für die Tat – den A3 zu bekommen – doppelt als Ermöglichungsabsicht und zusätzlich als niedrige Beweggrund zu berücksichtigen. Die Ermöglichungsabsicht in § 211 Abs. 2 StGB sei ein spezielleres Mordmerkmal, hinter dem das allgemeinere zurücktrete. Lägen also niedrige Beweggründe vor, die zugleich ein spezielleres Mordmerkmal erfüllen, könne das Gericht nur das spezielle Mordmerkmal berücksichtigen, es sei denn, den niedrige Beweggründen käme ein Unrechtsgehalt zu, der über die Verwirklichung des spezielleren Mordmerkmals hinausgehe. 

Außerdem hatte das Landgericht dem Jugendlichen entgegen den Feststellungen angelastet, dass der Geschädigte massive Schmerzen erlitten habe. Die Jugendkammer muss nun erneut über den Strafausspruch entscheiden. 

(Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung hatten wir zunächst von "niederen" Beweggründen geschrieben. Der korrekte Terminus lautet "niedrige" Beweggründe. Das haben wir korrigiert. 17.5.2024, 9:20h, jvh)

BGH, Beschluss vom 13.03.2024 - 4 StR 448/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 16. Mai 2024.