Ermittlungstaktik von Polizei und Staatsanwaltschaft
Autodiebstahl_Aobe_CR_sdecoret
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Die Polizei darf – auch wenn sie vorher vergeblich einen Durchsuchungsantrag angeregt hat – ein Fahrzeug nach gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften durchsuchen. Darin sieht der Bundesgerichtshof noch keinen Anhalt für eine Umgehung der Strafprozessordnung. Der 5. Strafsenat billigte auch die Ankündigung weit auseinanderklaffender Strafvorstellungen durch die Staatsanwaltschaft, die einer mutmaßlichen Täterin in Aussicht gestellt wurden, um von ihr Aufklärungshilfe bei Bandenstraftaten zu erlangen.

Autodiebe-Bande geschnappt

Ein Mann und eine Frau waren Mitglieder einer Bande von Autodieben, die in Deutschland hochwertige Pkw entwendete und diese in Polen verwertete. Die Frau hatte am 01.05.2017 drei andere Bandenmitglieder in die Nähe eines Autohauses gefahren, aus dem diese dann drei Fahrzeuge im Wert von 80.000 Euro gestohlen und nach Polen gebracht hatten. Auf der Rückfahrt koordinierte sie per Mobiltelefon die Fahrer und den Auftraggeber. Für ihren Beitrag erhielt sie 40 Euro. Dem Mann wurde vorgeworfen, in einer Nacht im April 2017 an einem Diebstahl zweier Autos im Wert von 20.000 Euro und auch an der Tat am 01.05.2017 beteiligt gewesen zu sein.

Ermittlungstaktiken

Im Ermittlungsverfahren hatte die Polizei hinsichtlich eines weiteren mutmaßlichen Bandenmitglieds zunächst erfolglos eine Festnahme und Beschlagnahme dessen Autos bei der Staatsanwaltschaft angeregt. Danach durchsuchte sie das betreffende Auto – gestützt auf das Sächsische Polizeigesetz – und fand Unterlagen, die den Angeklagten belasteten. Der Frau stellte die Staatsanwaltschaft für den Fall einer umfassenden Aussage inklusive Aufklärungshilfe einen Strafantrag zwischen zwei Jahren und neun Monaten und drei Jahren und drei Monaten in Aussicht. Sollte sie jedoch schweigen, müsse sie mit einem Strafantrag zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren rechnen. Daraufhin packte sie aus und belastete unter anderem ihren Mitangeklagten. In der Hauptverhandlung wiederholte sie die Einlassung, während der Mann schwieg. Das Landgericht Dresden sprach ihn teilweise frei und verurteilte die Frau zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die Staatsanwaltschaft wehrte sich gegen den Freispruch und die Frau erhob ebenfalls Revision zum Bundesgerichtshof – mit Erfolg.

Belastende Unterlagen aus durchsuchtem Fahrzeug sind verwertbar

Die Unterlagen, die im durchsuchten Auto gefunden wurden, dürften – entgegen der Ansicht des LG – verwertet werden, so der BGH. Die Durchsuchung habe auf den 2017 geltenden §§ 23 Abs. 1 Nr. 2, 24 Nr. 1, 27 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG beruht und sei ohne richterliche Anordnung zulässig gewesen. Nach diesen Vorschriften habe eine Person und das von ihr geführte Fahrzeug durchsucht werden können, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person Sachen mit sich führt, die beschlagnahmt werden dürften, weil sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigen. Das sei hier bezüglich der im Wagen befindlichen Einbruchswerkzeuge der Fall gewesen. Eine Umgehung der strafprozessualen Vorschriften durch die Polizei hat der 5. Strafsenat nicht erkannt.

Darlegung der Strafvorstellung legitim

Entgegen der Ansicht des LG dürfe die Staatsanwaltschaft der Beschuldigten auch erklären, welche Strafanträge – mit und ohne Geständnis – sie sich vorstellen könnte. Darin liegt den Leipziger Richtern zufolge keine Täuschung nach § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die Strafvorstellungen auf den Taten beruhten, aufgrund derer die Behörde den Haftbefehl erhalten hatte. Der BGH verneinte auch eine unzulässige Sanktionsschere, bei der die Staatsanwaltschaft auf die Beschuldigte einen hohen Aussagedruck ausübt, indem sie eine vor dem Hintergrund des konkreten Falles nicht mehr nachvollziehbare Differenz zwischen dem prognostizierten Verständigungsstrafrahmen und der Strafe ohne Geständnis legt. Allerdings, so der 5. Strafsenat, habe es das LG es versäumt, zugunsten der Angeklagten die Strafrahmenverschiebung nach § 46b StGB wegen ihrer Aufklärungshilfe zu erörtern.

BGH, Urteil vom 10.06.2021 - 5 StR 377/20

Redaktion beck-aktuell, 14. Juli 2021.