BGH erlaubt Verwertung von EncroChat-Daten zur Aufklärung schwerer Straftaten
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Nachrichten aus der Überwachung des Messengers EncroChat dürfen als Beweismittel zur Aufklärung besonders schwerer Straftaten verwertet werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und die Revision eines Drogenhändlers gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg verworfen. Französische Behörden hatten den Mann über die Software überführt. Dem von ihm geltend gemachten Beweisverwertungsverbot erteilte das Karlsruher Gericht nun eine klare Absage.

Verschlüsselte Kommunikation über französischen Server

Das LG Hamburg hatte den Angeklagten wegen zehn Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Einziehung von Taterlösen in Höhe von mehr als 70.000 Euro angeordnet. Zentrale Beweismittel waren insbesondere SMS-Nachrichten des Angeklagten, die dieser über den Anbieter EncroChat zur Organisation des Drogenhandels versandt hatte. Die Beweismittel waren aufgetaucht, nachdem französische Strafverfolgungsbehörden 2017 und 2018 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens auf die EncroChat-Software gestoßen waren, die über einen in Frankreich betriebenen Server eine verschlüsselte Kommunikation ermöglicht. Die Auswertung des Servers ergab, dass die EncroChat-Software primär für kriminelle Zwecke von Nutzern in ganz Europa verwendet wird.

Übermittlung von Chat-Daten führt zu Verurteilungen in Deutschland

In diesem Zusammenhang waren auch dem Bundeskriminalamt über Europol Erkenntnisse zugleitet worden, wonach in Deutschland eine Vielzahl schwerster Straftaten von EncroChat-Nutzern begangen wurden. Die Zentralstelle zur Bekämpfung für Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hatte daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. In diesem Verfahren war eine an Frankreich gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Antrag ergangen, die Deutschland betreffenden EncroChat-Daten zu übermitteln und deren Verwendung in deutschen Strafverfahren zu erlauben. Beides war von einem französischen Gericht genehmigt worden. In der Folge kam es zu einer Reihe von Urteilen, bei denen Angeklagte - wie im vorliegenden Verfahren - unter anderem auf Grundlage der Chatdaten überführt und verurteilt wurden.  

BGH verneint Beweisverwertungsverbot

Die Frage, ob der Verwertung dieser Chatdaten ein Verbot entgegen steht, hat der BGH nun ganz klar verneint. Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung von Beweisen im deutschen Strafprozess sei § 261 StPO. Dies gelte auch für im Weg der Rechtshilfe erlangte Daten. Da die hier genutzte Verwertung erlangter Daten einen Eingriff in das von Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis enthalten könne, müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. In Anlehnung an Verwendungsbeschränkungen wie § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO dürften derart erlangte Daten zur Überführung solcher besonders schwerer Straftaten verwendet werden, für deren Aufklärung die eingriffsintensivsten Ermittlungsmaßnahmen des deutschen Strafverfahrensrechts - namentlich eine Online-Durchsuchung oder eine akustische Wohnraumüberwachung - angeordnet werden dürften. Hierzu gehörten regelmäßig die in Rede stehenden Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz. Eine Überprüfung der französischen Ermittlungsmaßnahmen am Maßstab ausländischen Rechts finde darüber hinaus nicht statt.

Auch kein Verstoß gegen europäisches Recht 

Des weiteren liege weder ein Verstoß der Beweiserhebung gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte vor noch könne sich ein Verwertungsverbot angesichts der späteren allseitigen Genehmigung der Datenverwendung daraus ergeben, dass französische Behörden möglicherweise gegen die Pflicht verstoßen haben, Deutschland zeitnah über das Bundesgebiet betreffende Abhörmaßnahmen zu unterrichten. Einen etwaigen Verstoß gegen rechtshilferechtliche Vorschriften beim Datenaustausch oder der sonstigen Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Polizeibehörden vor Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung habe die Revision nicht geltend gemacht. Es komme deshalb nicht darauf an, dass ein durchgreifender Rechtsfehler aufgrund der nachträglichen Einholung einer Einwilligung ohnehin nicht auf der Hand liege, zumal die grenzüberschreitende Übermittlung von Erkenntnissen zur Strafverfolgung nach den europäischen Rechtshilfevorschriften auch ohne Rechtshilfeersuchen ohne weiteres zulässig sei. An die Verwertung der aus einem solchen Informationsaustausch stammenden Daten seien jedenfalls keine höheren Anforderungen als an die Verwertung von durch eine Europäische Ermittlungsanordnung erlangten Daten zu stellen.

BGH, Beschluss vom 02.03.2022 - 5 StR 457/21

Redaktion beck-aktuell, 25. März 2022.