Erfüllungseinwand in Vollstreckungsabwehrklage und Vollstreckungsverfahren

Hat ein Schuldner in einem Zwangsmittelverfahren den Erfüllungseinwand erhoben, kann er diesen auch mit einer Vollstreckungsabwehrklage geltend machen. Für diese besteht laut Bundesgerichtshof grundsätzlich solange ein Rechtsschutzbedürfnis, wie der Gläubiger den Titel noch in Händen hat. Nicht entscheidend sei, ob ihm Maßnahmen ernstlich drohten oder konkret bevorstünden, wenn sich der Titel nur auf eine einmalige – nicht wiederkehrende – Leistung beziehe.

Streit um notarielles Nachlassverzeichnis

Ein Alleinerbe verlangte von seinen Geschwistern, die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Teilurteil des Landgerichts München II wegen Erfüllung für unzulässig zu erklären. Das LG hatte ihn im Februar 2017 im Rahmen einer Pflichtteilsstufenklage zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Über ein Jahr später stellten die Beklagten unter dem gleichen Aktenzeichen einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung der Auskunftsverpflichtung des Bruders. Daraufhin legte dieser eine notarielle Nachlassliste vor. Die Geschwister monierten, diese sei lückenhaft, und hielten den Zwangsmittelantrag aufrecht. Über diesen wurde bislang noch nicht entschieden. Im September 2019 erhob der Kläger die Vollstreckungsabwehrklage. Der Rechtsstreit wurde einer anderen Kammer des LG zugeteilt. Im dortigen Verfahren verpflichtete sich die Beklagtenseite, den Vollstreckungstitel an den Bruder herauszugeben, sollte der Zwangsmittelantrag wegen Erfüllung zurückgewiesen werden.

OLG: Prüfung des Erfüllungseinwands vor Vollstreckungsgericht

Der Mann verlor sowohl beim LG München II als auch beim Oberlandesgericht München. Die Vollstreckungsabwehrklage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der BGH spreche sich für eine Prüfung der Erhebung des Erfüllungseinwands nach §§ 887, 888 ZPO durch das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aus, insbesondere weil dieses den Inhalt des Rechtsstreits kenne. Das von den Beklagten eingeleitete Verfahren sei für den Kläger "sicher". Ihm drohe derzeit ernstlich keine weitere Zwangsvollstreckung, da das Verfahren seit Jahren nicht weiterbetrieben und offensichtlich von der Familie nicht offensiv vorangetrieben werde. Die Revision des Klägers beim BGH hatte Erfolg.

BGH: Keine Sperrwirkung des Zwangsmittelverfahrens

Der I. Zivilsenat verwies die Sache an das OLG zurück. Dem Kläger könne das Rechtsschutzbedürfnis für seine Vollstreckungsabwehrklage nicht abgesprochen werden. Das OLG habe zu Unrecht darauf abgestellt, ob ihm eine Zwangsvollstreckung ernstlich drohe oder konkret gegen ihn bevorstehe. Denn der Titel der Geschwister sei nicht auf eine wiederkehrende Leistung, sondern auf eine im Grundsatz einmalige Auskunftserteilung gerichtet. Danach bestehe im Ausgangspunkt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage des Klägers, solange die Beklagten den Titel in den Händen hielten. Ein anhängiges Zwangsmittelverfahren stehe der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage, mit dem Ziel, die Vollstreckbarkeit insgesamt zu beseitigen, nicht entgegen. Gegen eine solche Sperrwirkung spreche bereits, dass eine Entscheidung im Zwangsmittelverfahren nur einen weiteren Zwangsmittelantrag auf gleicher Grundlage hindere und der Vollstreckungsabwehrklage ein anderer Streitgegenstand zugrunde liege. Unabhängig davon sei entgegen der Ansicht des OLG nicht erkennbar, dass dem Kläger derzeit ernstlich keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen drohten. Die Beklagten hätten das erste Verfahren bislang jedenfalls nicht förmlich beendet. Warum es Verfahren ins Stocken geraten sei, sei vom OLG München nicht weiter geklärt worden.

BGH, Urteil vom 29.09.2022 - I ZR 180/21

Redaktion beck-aktuell, 16. November 2022.