Erforderlicher Umfang einer Berufungsbegründung

Zur Begründung der Berufung in einem Zivilprozess genügt es, wenn ein Kläger deutlich macht, dass er die Abweisung seiner Klage vorerst nur teilweise anfechten will. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Wenn der Kläger den nun noch verlangten Betrag nicht näher erläutere, könne er dies auch noch nach Ablauf der Begründungsfrist nachholen – bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz.

"Verkauf" eines Turnierpferdes

Eine Käuferin verlangte nach dem Kauf eines angeblich kranken Turnierpferds die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses von den beiden "Verkäufern" – einem Enkel und seiner Großmutter. Das Pferd war bereits das zweite, das in dem Fall zum Einsatz kam. Der Enkel hatte dieses ursprünglich ihm gehörende Tier im Mai 2016 gegen ein anderes Pferd ausgewechselt, welches seine Oma der Klägerin zwei Monate zuvor für 12.000 Euro verkauft hatte und mit dem die Klägerin nicht zufrieden gewesen war. Die nachträglich vom Enkel aufgesetzte und mit "Tauschvertrag" überschriebene Urkunde wies die Käuferin und die Großmutter als Vertragspartner aus. Das Landgericht Halle wies die Klage ab.

Umfang der Anfechtung nicht erkennbar

Ihr Anwalt legte zunächst frist- und formgerecht Berufung ein und begründete diese fristgerecht. Das OLG Naumburg teilte der Käuferin mit, dass eine Verwerfung der Berufung beabsichtigt sei. Sie habe nicht hinreichend deutlich präzisiert, ob sie einen Teilbetrag vom Kaufpreis, Untersuchungskosten oder Unterhaltungsauswand wolle. Sie trug vor, mit der Berufung sei ein Teilbetrag von 667 Euro aus dem erstinstanzlich geltend gemachten Zahlungsanspruch von rund 14.900 Euro geltend gemacht worden. Dies ergebe sich eindeutig aus der Formulierung "unter ausdrücklichem Erweiterungsvorbehalt nach § 264 Nr. 2 ZPO" in der Berufungsbegründung. Ihre Berufung hatte gleichwohl vor dem OLG Naumburg keinen Erfolg: Ihr Rechtsmittel lasse den Umfang der Anfechtung nicht erkennen, so die Begründung. Es werde nicht nach den verschiedenen Streitgegenständen differenziert, so dass nicht erkennbar sei, welcher davon noch anhängig sei.

BGH: Zugang zur Berufungsinstanz erschwert

Die Beschwerde zum BGH führte zum Ziel: Er verwies die Sache an das OLG zurück. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO verkannt. Damit sei das Verfahrensgrundrecht der Käuferin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt und ihr der Zugang zu einer Instanz erschwert worden, so der Vorwurf an das OLG. Sie habe in der Berufungsbegründung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das erstinstanzliche Urteil vorläufig unter Erweiterungsvorbehalt nur in Höhe von 667 Euro anfechten wolle. Der Umstand, dass sie die Klageabweisung insgesamt für unzutreffend gehalten und sich nicht auf einen der Ansprüche beschränkt habe, spreche dafür. Entscheidend war aus Sicht des Senats, dass die unterbliebene Aufteilung des noch verlangten Betrags nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern allein die Zulässigkeit der Klage nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hindert. Sie betreffe somit einen Mangel, der auch noch nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, nämlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, behoben werden könne.

BGH, Beschluss vom 05.08.2020 - VIII ZB 18/20

Redaktion beck-aktuell, 1. September 2020.