Erfolg für Staatsanwaltschaft in "Berliner Wettbüro-Mordfall"

Im sogenannten Berliner Wettbüro-Mordfall sind die Angeklagten größtenteils mit ihren Revisionen gescheitert. Dagegen hat der Bundesgerichtshof auf die Revisionen der Staatsanwalt entschieden, dass es rechtsfehlerhaft vom Landgericht war, von der Mindestverbüßungsdauer der gegen die Angeklagten verhängten lebenslangen Freiheitsstrafen jeweils zwei Jahre als vollstreckt zu erklären. Ein dies rechtfertigender Verstoß gegen das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren sei nicht gegeben.

LG verurteilte alle Angeklagten zu lebenslang

Nach jeweils mehrjährigen Hauptverhandlungen hatte das LG Berlin am 01.10.2019 und am 18.12.2019 acht der Angeklagten wegen Mordes und einen weiteren wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Von der Mindestverbüßungsdauer hat es in allen Fällen einen Teil für vollstreckt erklärt. Nach den Urteilsfeststellungen beauftragte der wegen Anstiftung zum Mord verurteilte Anführer einer Berliner Gruppierung der "Hells Angels" am Abend des 10.01.2014 unter anderem die Mitangeklagten, seinen langjährigen Rivalen zu töten. Dementsprechend suchten sie diesen noch am gleichen Abend zusammen mit weiteren "Hells Angels"-Mitgliedern in seinem Stammlokal in einem Berliner Wettbüro auf. Nachdem sie überfallartig in die Lokalität eingedrungen waren, gab einer der Angeklagten dem Tatplan entsprechend binnen Sekunden mehrere tödliche Schüsse auf das arglose Opfer ab. 

Vollstreckungsabschlag wegen unfairen Verfahrens

Das Landgericht hatte die Tat als heimtückische und aus niedrigen Beweggründen begangene Tötung bewertet. Es hatte die am Tatort anwesenden Angeklagten deshalb wegen Mordes (§ 211 StGB) und den Auftraggeber wegen Anstiftung zum Mord (§§ 21126 StGB) verurteilt. Von den dafür verhängten lebenslangen Freiheitsstrafen hatte es den Angeklagten jeweils einen Vollstreckungsabschlag von zwei Jahren gewährt, weil es von einer Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK verbürgten Rechts der Angeklagten auf ein faires Verfahren ausgegangen ist. Denn es sei – so das LG – nach der Beweisaufnahme nicht auszuschließen, dass nicht namhaft zu machende Kräfte des Landeskriminalamtes Berlin den "Dingen ihren Lauf" ließen, obwohl sie bereits Ende Oktober 2013 Kenntnis von einer im Raum stehenden Tötung des späteren Tatopfers durch die Berliner "Hells Angels" erlangt hätten.

Nur ein Angeklagter mit Revision erfolgreich

Mit ihren gegen die Urteile gerichteten Revisionen haben die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und zum Teil umfangreiche Verfahrensbeanstandungen erhoben. Die Staatsanwaltschaft hat den allen Angeklagten mit Urteil vom 01.10.2019 gewährten Vollstreckungsabschlag angegriffen. Der BGH hat die Revisionen von acht Angeklagten als unbegründet verworfen, da die Überprüfung weder Rechtsfehler in der Beweiswürdigung noch bei der rechtlichen Wertung ergeben habe. Auch den Verfahrensbeanstandungen ist der Erfolg versagt geblieben. Hinsichtlich eines Angeklagten hat der BGH zwar den Schuldspruch wegen Mordes bestätigt, jedoch den Strafausspruch aufgehoben, weil das LG die Ablehnung einer Strafmilderung nach § 46b StGB trotz einer von diesem Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe nicht rechtsfehlerfrei begründet habe. Nur insoweit hat der BGH die Sache an das LG zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen habe die Nachprüfung der Urteile keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

Vollstreckungsabschlag war rechtswidrig

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hat der BGH das Urteil vom 01.10.2019 im Rechtsfolgenausspruch insoweit aufgehoben, als das LG von der Mindestverbüßungsdauer der gegen die Angeklagten verhängten lebenslangen Freiheitsstrafen jeweils zwei Jahre als vollstreckt erklärt hat. Der Ausspruch ist jeweils entfallen. Eine Verletzung des Rechts der Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) liege nicht vor. Denn ein Anspruch eines Strafftäters auf Einschreiten der Strafverfolgungsorgane gegen ihn selbst existiere nicht. Die mit der gleichen Angriffsrichtung gegen das Urteil vom 18.12.2019 geführte Revision der Staatsanwaltschaft hatte der BGH bereits mit Beschluss vom 25.11.2021 als unzulässig verworfen.

BGH, Urteil vom 07.02.2022 - 5 StR 542/20

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2022.