BGH entscheidet erneut über Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen befasst. Er hat entschieden, dass Energieversorger bei der Preisgestaltung neben der Kostenentwicklung auch die "jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt" angemessen berücksichtigen müssen. Konkret können die klagenden Verbraucher mangels Überzahlung trotz der rechtswidrigen Preisgestaltung nur einen Teil der Bereitstellungskosten zurückverlangen.

Streit um Preisanpassungsklausel in Fernwärmelieferungsverträgen

Das beklagte Berliner Energieunternehmen belieferte die Kläger in den Jahren 2002 bis 2018 mit Fernwärme und stellte ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung, den sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln jährlich anpasste. Im Januar 2019 entschied das Kammergericht in einem anderen gegen die Beklagte gerichteten Rechtsstreit, dass die auf den Arbeitspreis bezogene Preisänderungsklausel den Transparenzanforderungen in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV nicht genüge und dass damit sämtliche in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten enthaltenen Anpassungsklauseln - also auch die den Bereitstellungspreis betreffende - nach § 139 BGB unwirksam seien. Unter Berufung auf dieses Urteil hielten die Kläger - wie andere Kunden auch - die entrichteten Wärmeentgelte für überhöht und verlangten Rückerstattung. Vor dem Amtsgericht waren die Kläger teilweise erfolgreich, vor dem Landgericht nicht. Die Beklagten legten Revision ein.

BGH weist Revision zurück

Der Bundesgerichtshof hat die Revision anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen zurückgewiesen und entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis zwar gemäß § 134 BGB unwirksam sei, dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - aber nicht aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV folge. Ausweislich der Preisänderungsklausel und den dazugehörigen Erläuterungen werde der Arbeitspreis für das abzurechende Jahr rückwirkend im gleichen Verhältnis erhöht oder gesenkt, in dem sich der von der Beklagten ihrerseits an ihren Vorlieferanten für den Wärmebezug zu leistende Energiepreis in diesem Zeitraum verändert habe. Damit sei die Art und Weise der periodischen Anpassung des Arbeitspreises für den Kunden aus sich heraus hinreichend klar und verständlich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gebiete das Transparenzgebot des § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV darüber hinaus nicht die Erläuterung der Zusammensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens, also insbesondere der diesen zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmungen oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten. Diese Gesichtspunkte könnten allenfalls für die Prüfung der inhaltlichen Angemessenheit einer solchen Klausel von Bedeutung sein.

Preisanpassungsklausel lässt "Marktelement" unberücksichtigt

Die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel der Beklagten verstoße allerdings gegen die Anforderung des § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV, dass neben der Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen auch die "jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt" angemessen berücksichtigt werden müssen. Mit diesem zusätzlichen "Marktelement" soll angesichts der häufig monopolartigen Stellung von Fernwärmeversorgungsunternehmen gegenüber einer rein kostenorientierten Preisanpassung gewährleistet werden, dass Versorger durch Anpassungen des Wärmepreises nicht beliebig ihre Kosten weiterreichen können, sondern sich aufgrund der Einbeziehung der Verhältnisse am Wärmemarkt dem Vergleich mit anderen Energieanbietern stellen müssen und so einen Anreiz haben, die Wärmeversorgung effizient zu gestalten. Dem werde die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel jedoch nicht gerecht, weil sie Anpassungen des Arbeitspreises ausschließlich anhand eines ihre Kostenentwicklung abbildenden Parameters vollziehe.

BGH verweist auf Dreijahreslösung

Die Kläger könnten die Unwirksamkeit auf der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis beruhender Preiserhöhungen jedoch nur insoweit geltend machen, als sie diese innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet haben. Diese seit vielen Jahren gefestigte Rechtsprechung sei auch angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unverändert mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vereinbar. Bei ihrer gegenteiligen Auffassung blendeten die Revision und Teile des Schrifttums insbesondere aus, dass durch die vom Senat insoweit vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Einklang mit der - vom Gerichtshof der Europäischen Union stets hervorgehobenen - Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie die nach dem Vertrag bestehende (infolge der unwirksamen Preisanpassungsklausel entfallene) formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetze und so deren Gleichheit wiederhergestellt werde.

Klägern steht nur geringer Rückzahlungsanspruch zu

Unter Anwendung dieser Senatsrechtsprechung sei vorliegend (weitgehend) der Arbeitspreis des Jahres 2014 maßgebend, sodass es im streitgegenständlichen Zeitraum nur zu einer sehr geringfügigen Überzahlung der Kläger gekommen sei. Da zudem - wie der Senat kürzlich bereits entschieden habe (Urteil vom 06.04.2022, BeckRS 2022, 10197), die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis gemäß § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der - als solche den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entsprechenden - Anpassungsklausel zum Bereitstellungspreis in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten nicht berühre, komme auch diesbezüglich ein Rückzahlungsanspruch der Kläger nicht in Betracht. Die Kläger könnten nur Rückzahlung des Teils der Bereitstellungskosten verlangen, die über das Vertragsende hinaus berechnet wurden.

BGH, Urteil vom 01.06.2022 - VIII ZR 287/20

Redaktion beck-aktuell, 2. Juni 2022.