Entfallen der Beweiswirkung eines Empfangsbekenntnisses

Unterschreibt ein Rechtsanwalt ein Empfangsbekenntnis bekundet er, dass er das Schriftstück als zugestellt gegen sich gelten lassen will. Die Beweiskraft dieses Empfangsbekenntnisses kann dem Bundesgerichtshof zufolge nur entkräftet werden, wenn der Prozessbevollmächtigte dessen Unrichtigkeit eindeutig beweist. Die bloße Möglichkeit einer Unrichtigkeit sei nicht ausreichend. 

Anwalt verpasste Berufungsbegründungsfrist

Ein Mann wurde vom Amtsgericht Emden verurteilt, mehrere Grundstücke zu räumen. Nach Einlegen der Berufung verpasste es sein Prozessbevollmächtigter, diese zwei Monate später rechtzeitig zu begründen. Erst zwei Tage nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beantragte er, dieselbe um einen Monat zu verlängern. Nach einem Hinweis des Gerichts auf die Verspätung widersprach der Anwalt: Der Verlängerungsantrag sei innerhalb der Begründungsfrist gestellt worden. Das von ihm unterschriebene Empfangsbekenntnis belege nur den Zugang des Urteils in die Kanzlei, er selbst habe es aber erst drei Tage später zur Kenntnis genommen. Erst nach dem Hinweis habe er erfahren, dass es für den Zugang auf seine persönliche Kenntnisnahme ankomme. Das Oberlandesgericht Oldenburg wies die Berufung wegen fehlender Begründung als unzulässig ab, obwohl der Prozessbevollmächtigte die Begründung noch binnen Monatsfrist nachreichte. Auch die Rechtsbeschwerde zum BGH war erfolglos.

Wann war der Zugang?

Es ist dem BGH zufolge wesentlich, das genaue Zugangsdatum des Urteils zu bestimmen: Wenn tatsächlich das drei Tage spätere Datum gelte, hätte dem Beklagten gegebenenfalls auch ohne Antrag Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO gewährt werden müssen. Ein Schriftstück mit Empfangsbekenntnis gilt nach § 174 Abs. 1 ZPO erst dann als zugegangen, wenn der Prozessbevollmächtigte persönlich durch seine Unterschrift bekundet, dass er die Zustellung gegen sich gelten lassen will. Die Beweiskraft dieses Empfangsbekenntnisses kann den Karlsruher Richtern zufolge nur entkräftet werden, wenn eindeutig bewiesen wird, dass es falsch ist. Diesen Gegenbeweis habe der Beklagte nicht erbracht: Sein Anwalt habe zunächst einen Verlängerungsantrag – und keinen Wiedereinsetzungsantrag – gestellt, obwohl er nach eigenem Vortrag zu diesem Zeitpunkt angenommen hatte, dass die Frist mit Eingang in der Kanzlei begonnen hatte und bereits abgelaufen war.

BGH, Beschluss vom 24.03.2021 - LwZB 1/20

Redaktion beck-aktuell, 11. Mai 2021.