Eltern haften für Verletzungen ihrer Kinder
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Lassen Eltern ihr knapp dreijähriges Kind bei einem Reitturnier aus den Augen, haften sie vollständig für dessen Verletzung durch einen Pferdetritt. Weder der Veranstalter noch die Pferdehalterin müssen damit rechnen, dass ein Kleinkind unbeaufsichtigt in einen Pferdetransporter klettert, hat der Bundesgerichtshof entschieden. Deren Verkehrssicherungspflicht reduziert sich durch die Pflicht der Eltern, ihren Nachwuchs auf einer großen Veranstaltung eng bei sich zu führen.

Kleinkind von Pferd getreten

Ein Kind besuchte mit seinen Eltern ein Reitturnier. Während die Eltern sich unterhielten, stromerte das rund dreijährige Kind auf dem Gelände umher. Als es ein Pferd in einer wegen der Hitze geöffneten Transportbox entdeckte, kletterte es zu ihm hinein und wurde von dem Tier an den Kopf getreten. Die Beteiligten - die Pferdehalterin, deren Haftpflichtversicherung, der Turnierveranstalter/Grundstückseigentümer und die Eltern - stritten sich nun, wer wieviel Schadensersatz zu leisten hat. Das Landgericht Freiburg entschied, die Eltern hätten 2/3 der Kosten zu tragen, das Oberlandesgericht Karlsruhe änderte diese Quote auf 1/3. Alle Parteien legten Revision zum Bundesgerichtshof ein.

Verletzung der Aufsichtspflicht begründet Haftung

Bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern kann sich nach Ansicht des VI. Zivilsenats ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben. Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB auch durch Verletzung der Obhutspflicht begangen werden. Der Einwand der Eltern, im Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab in eigenen Angelegenheiten nach § 277 BGB müssten sie nur für grobe Fahrlässigkeit einstehen, lief ins Leere: Angesichts der Gefährlichkeit der Umgebung für ein dreijähriges Kind hätten sie die Beaufsichtigung sehr eng gestalten müssen. Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimme sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Maßnahmen danach richteten, was verständige Eltern in der konkreten Situation tun müssten, um Verletzungen zu verhindern.

Haftung komplett bei den Eltern

Die Karlsruher Richter entschieden daher, dass die Eltern sämtliche Kosten zu tragen haben: Sowohl die Pferdehalterin als auch die Veranstalterin hätten ihren Verkehrssicherungspflichten genügt. Vorkehrungen, die verhindern, dass ein rund dreijähriges Kind in den Pferdeanhänger steigt, seien nicht zu treffen gewesen. Sie hätten darauf vertrauen können, dass die Beaufsichtigung von Kleinkindern von deren Eltern wahrgenommen werde. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, dass ein Kind in die Pferdebox steige. Diese Gefahr werde durch die gebotene Beaufsichtigung von Dritten sozusagen neutralisiert und die Verkehrssicherungspflichten würden entsprechend reduziert.

BGH, Urteil vom 19.01.2021 - VI ZR 210/18

Redaktion beck-aktuell, 11. Februar 2021.