Elektroroller ist nicht gleich Elektroroller
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Soll ein Rollerfahrer strafrechtlich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder Trunkenheit im Verkehr belangt werden, ist eine nähere technische Beschreibung des genutzten Elektrorollers unerlässlich. Der Bundesgerichtshof verneint eine automatische Anwendung der Vorschriften und Rechtsprechung, die für Kraftfahrer entwickelt worden sind, auf die Nutzer von E-Scootern.   

Achtung! E-Scooter!

Ein Mann ohne Fahrerlaubnis nutzte Elektroroller im öffentlichen Straßenverkehr – gerne auch mal angetrunken. Einmal fuhr er mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,73 Promille aus einer Grundstückseinfahrt heraus, missachtete die Vorfahrtberechtigung eines anderen Verkehrsteilnehmers und fuhr nach der Kollision einfach weiter. Bei anderen Fahrten hatte er eine BAK von über 1,1 Promille. Das Landgericht Hechingen verurteilte ihn deswegen und wegen rund 30 weiterer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten. Ferner zog es einen BMW X3 ein, der dem Mann nicht gehörte, und erteilte eine Führerscheinsperre von zwei Jahren. Der Rollerfahrer wehrte sich erfolgreich vor dem BGH.

Fahrerlaubnis für Elektroroller?

Eine Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG setzt dem BGH zufolge voraus, dass es sich bei dem Elektroroller um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 FeV handelt. Gerade im Hinblick auf die vielen Fahrzeuge, die von einer Fahrerlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV befreit seien – zum Beispiel Mofas oder elektrische Kleinstfahrzeuge – sei eine genaue Beschreibung und Einordnung der genutzten Elektroroller unbedingt erforderlich gewesen. Der 4. Strafsenat hob das Urteil soweit auf und verwies die Sache zurück, damit diese Feststellungen nachgeholt werden können.

BAK-Grenzwerte nicht einfach übertragbar

Auch die Einordnung des Verhaltens  des Betroffenen bei dem Unfall als Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB erfordert laut BGH eine Einordnung der Roller, auf deren Grundlage dann die Grenzwerte der absoluten Fahruntüchtigkeit bestimmt werden können. Die Rechtsprechung zum Indizwert von 1,1 Promille für absolute Fahruntüchtigkeit sei für Kraftfahrer entwickelt worden. Es sei fraglich, ob man diese Zahlen auf Fahrer von E-Rollern übertragen könne. Bezogen auf den Unfall sei nicht festgestellt worden, ob wirklich die Alkoholisierung Ursache gewesen sei. Damit könne weder die Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr noch wegen Straßenverkehrsgefährdung, § 315c StGB, Bestand haben.

Folgefehler

Die aufgezeigten Fragen zogen auch die Aufhebung der Führerscheinsperre und der eigentlich zutreffenden Verurteilung wegen Unfallflucht gemäß § 142 StGB nach sich. Die Einziehungsentscheidung nach § 74b StGB sei auch falsch, weil das Auto überhaupt nicht in die Taten involviert gewesen sei. Der BGH erteilte einer "uferlosen" Einziehung von – potentiell gefährlichen – Gegenständen Dritter ohne Bezug zur Tat eine Absage.

BGH, Beschluss vom 02.03.2021 - 4 StR 366/20

Redaktion beck-aktuell, 28. April 2021.