Einziehungsbeteiligter muss sich Anwaltsverschulden ankreiden lassen

Ein bloßer Einziehungsbeteiligter genießt nicht das Privileg eines Beschuldigten, dem das Verschulden seines Verteidigers bei einer Fristversäumung nicht zuzurechnen ist. Für ihn gilt laut dem 5. Strafsenat des BGH der Grundsatz von § 85 Abs. 2 ZPO – das Anwaltsverschulden geht zu seinen Lasten.

Der BGH entschied, dass wie Nebenkläger oder Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren, auch Einziehungsbeteiligte im Gegensatz zu Beschuldigten keinen erhöhten Schutz vor Anwaltsfehlern benötigen. Die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB betreffe keine vergleichbaren Rechtsgüter und stehe dem Zivilrecht näher: Die Vermögensabschöpfung sei eine Maßnahme nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter. Der BGH hat deshalb das Vorliegen einer unverschuldeten Säumnis nach § 44 Satz 1 StPO verneint und die Revision abgewiesen. 

Grundsatz: Der Angeklagte soll nicht unter Fehlern seines Anwalts leiden

Eine Zurechnung des Anwaltsverschuldens nach dem allgemeinen Grundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO findet dem 5. Strafsenat im Strafverfahren nicht statt, soweit sich der Beschuldigte gegen den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch zur Wehr setzt. Es würde zu unerträglichen Ergebnissen führen, weil, wie der BGH hervorhebt, der Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch auch zentrale Rechtsgüter wie die Freiheit, Ehre und Familie betrifft. 

Ein Mann war wegen Betrugs verurteilt worden. Mehr als 300.000 Euro wurden vom Landgericht Kiel bei einer Dritten, die nicht an der Straftat beteiligt gewesen war, "als Wertersatz" eingezogen. Dagegen erhob die Dritte die Revision, versäumte aber die Frist zur Revisionsbegründung. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, das elektronische Postfach ihres Anwalts habe nicht funktioniert, lehnte der BGH ab – ihr Rechtsanwalt hatte sich das Prüfprotokoll der Nachricht im beA nicht angesehen.

BGH, Beschluss vom 04.07.2023 - 5 StR 145/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 8. September 2023.