Keine Einschleusung von Ausländern aus der Ukraine
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Wer Ukrainerinnen nach Deutschland holt, damit sie sich hier Geld durch Prostitution verdienen können, macht sich nicht der Einschleusung von Ausländern strafbar. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass "Positivstaater" wie Ukrainer mit biometrischem Pass einreisen dürfen. Erst der Aufenthalt werde durch Aufnahme der Erwerbstätigkeit illegal. Der BGH beschäftigte sich auch mit den Voraussetzungen für die Annahme einer Ausbeutung ausländischer Künstler.

Ukrainerinnen eingeschleust und simbabwische Künstler ausgebeutet?

Das LG Aachen verurteilte einen Mann unter anderem wegen Einschleusens von Ausländern, weil er Ukrainerinnen, die nach Deutschland eingereist waren, um sich hier drei Monate lang zu prostituieren, gegen eine Aufwandsentschädigung Flüge buchte und andere Hilfstätigkeiten übernahm. Er mietete weiter eine "Bordellwohnung" an und vermietete sie an die Frauen gegen 50 Euro pro Tag. Außerdem wurde er wegen Ausbeutung der Arbeitskraft verurteilt, weil er 14 simbabwische Künstler unterbrachte, ihnen Engagements vermittelte, deren Spesen übernahm und die Erlöse überwiegend vereinnahmte. Das LG hatte im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO ein Pro-Forma-Geständnis des Angeklagten entgegengenommen, wonach die Anklage pauschal im Wesentlichen eingeräumt werde. Der Angeklagte erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Seine Revision vor dem BGH war erfolgreich.

Ukrainische Frauen sind legal eingereist

Der BGH verwies die Sache an das LG zurück. Dessen Feststellungen trügen eine Verurteilung wegen Einschleusens von Ausländern nach § 96 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht. Ohne die Haupttat – die illegale Einreise nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG – könne es keine Einschleusung von Ausländern geben. Die Frauen aus der Ukraine seien sogenannte Positivstaaterinnen, die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, § 15 AufenthV in Verbindung mit Anhang II VO (EG) Nr. 539/2001 für Kurzaufenthalte mit einem biometrischen Reisepass ohne Visum einreisen dürfen. Der Zweck der Einreise ist dabei dem 2. Strafsenat zufolge irrelevant, erst die konkrete Aufnahme der Prostitution lasse die Befreiung von der Visumpflicht entfallen und mache die Frauen ausreisepflichtig. Die Einreise sei noch legal erfolgt, erst der Aufenthalt wurde durch Aufnahme der Erwerbstätigkeit illegal.

Waren die Künstler seine Arbeitnehmer?

Die Feststellungen des LG tragen nach Ansicht des BGH ;auch keine Verurteilung wegen Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 233 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Hierfür verlange der Tatbestand eine ausbeuterische Beschäftigung nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB, also eine Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen. Der 2. Strafsenat sieht schon kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne § 7 SGB IV, weil die simbabwischen Künstler keine angemeldeten Arbeitnehmer des Angeklagten waren. Es ließe sich dem Urteil auch nicht entnehmen, ob die Tänzer und Akrobaten von dem Mann Weisungen entgegengenommen haben oder ob er sie bei ihrer Tätigkeit kontrolliert habe. Ohne ein Beschäftigungsverhältnis könne auch nicht der gesetzliche Mindestlohn als Bezugspunkt für die Ausbeutung herangezogen werden.

Rücksichtslose Ausbeutung nicht belegt

Dem BGH war schon nicht ersichtlich, wie oft die Künstler aufgetreten sind und wie hoch die konkreten Einnahmen waren. Eine Zwangslage der Simbabwer, die der Angeklagte hätte ausnutzen müssen, sei ebenfalls zweifelhaft, wenn diese zwischendurch nach Österreich zur Arbeitsaufnahme oder auch in ihre Heimat abgereist seien. Offensichtlich seien sie dann nicht durch den Angeklagten in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt gewesen. Ohne eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben des Veranstalters sei auch ein rücksichtsloses Gewinnstreben auf Kosten der Ausländer nicht belegbar. Diesbezüglich können sich Tatrichter nach Ansicht des BGH auch nicht auf ein pauschales Geständnis des Angeklagten stützen, das nur durch widersprüchliche Angaben der Zeugen unterfüttert wird. 

BGH, Beschluss vom 20.12.2022 - 2 StR 232/21

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2023.