Einladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch
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Allein die Tatsache, dass die schriftliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch einem schwerbehinderten Bewerber nicht zugegangen ist, stellt keine Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung dar. Laut Bundesarbeitsgericht ist davon erst auszugehen, wenn der Arbeitgeber nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um für einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang der Einladung zu sorgen. Dabei treffe den Arbeitgeber in der Regel eine sekundäre Darlegungslast.

Behinderter fühlt sich benachteiligt

Ein Schwerbehinderter verlangte von einer Kommune die Zahlung einer Entschädigung von 20.000 Euro - angeblich habe diese ihn wegen seiner Behinderung nicht zum Vorstellungsgespräch für eine Vollzeitstelle als Kämmerer eingeladen. In seiner Bewerbung informierte der frühere Polizeikommissar - zwischenzeitlich zudem Master of Public Adminis­­tration - über seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Die öffentliche Arbeitgeberin zog indessen einen anderen Kandidaten vor. Sie teilte mit, sie habe den Kläger mit Schreiben vom 06.02.2018, unterzeichnet vom Bürgermeister, unter der von ihm angegebenen Postfachanschrift zu einem Gespräch am 21.02.2018 um 10:30 Uhr ins Rathaus eingeladen. Weshalb ihm das Einladungsschreiben nicht zugegangen sei, wisse sie nicht. Nachdem er nicht zum Gespräch erschienen sei, habe die Sekretärin des Gemeindevorstehers vergeblich versucht, ihn mehrmals telefonisch zu erreichen. Seine Klage scheiterte sowohl beim Arbeitsgericht Schwerin als auch beim LAG Mecklenburg-Vorpommern, da die Gemeinde ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen sei. Die Revision beim BAG hatte keinen Erfolg.

Kein Anspruch auf Entschädigung

Das LAG hat den obersten Arbeitsrichtern zufolge zu Recht entschieden, dass der Schwerbehinderte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat. Die Gemeinde habe den Kläger nicht wegen der Schwerbehinderung bzw. seiner Gleichstellung benachteiligt (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Zwar sei er dadurch unmittelbar benachteiligt nach § 3 Abs. 1 AGG worden, dass er im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren für die ausgeschriebene Stelle als "Kämmerin/Kämmerer" nicht berücksichtigt worden sei. Der Umstand, dass er keine Einladung erhalten habe, begründe nicht die Vermutung (§ 22 AGG), dass er eine ungünstige Behandlung wegen seiner Behinderung erfahren habe. Denn die Gemeinde habe alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen gehabt, um einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang des Schreibens beim Kläger zu bewirken. Für sein gegenteiliges Vorbringen sei er, den im Hinblick auf die die Kausalitätsvermutung begründenden Indizien die Darlegungs- und Beweislast traf, beweisfällig geblieben. Die Beklagte hingegen sei ihrer sekundären Beweislast detailliert nachgekommen. Laut BAG war sie nicht verpflichtet, ihm das Schriftstück per Einschreiben mit Rückschein zukommen zu lassen oder es ihm gar förmlich zuzustellen. § 165 Satz 3 SGB IX sehe weder eine bestimmte Form noch eine bestimmte Art der Übermittlung vor.

BAG, Urteil vom 01.07.2021 - 8 AZR 297/20

Redaktion beck-aktuell, 19. November 2021.