Eine GmbH beantragte 2020 die Insolvenzeröffnung in Eigenverwaltung und die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens. Ihr wurde ein Sachwalter bestellt. Kurz vor der Eröffnung zahlte die GmbH dem Hauptzollamt rund 13 Millionen Euro Einfuhrumsatzsteuer und machte diese im Rahmen des Vorsteuerabzugs wieder geltend. Der Sachwalter forderte vom Hauptzollamt die 13 Millionen Euro im Klageweg zunächst erfolglos zurück. Anschließend wurde ein Insolvenzplan erstellt und nach dessen Annahme das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der Sachwalter führte die Klage auch nach dem Abschluss des Verfahrens fort und war zuletzt vor dem BGH (Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 194/22) erfolgreich.
Keine rechtsmissbräuchliche Rückforderung
Die Karlsruher Richterinnen und Richter bejahten den Anspruch nach §§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO: Die Zollbehörde wäre ohne diese Zahlungen ebenfalls Insolvenzgläubigerin geworden und die gezahlten Steuern haben die Insolvenzmasse verkürzt.
Die Behörde könne dem nicht entgegenhalten, dass die GmbH die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG bereits geltend gemacht habe. Das Vorsteuerabzugsrecht entsteht nach Ansicht des BGH nicht erst durch die Umsatzsteuerzahlung, sondern bereits mit Steuerentstehung. Daher gebe es keine derartige Verknüpfung zwischen der Steuerentrichtung und dem Vorsteuerabzug, die eine Anfechtung der gezahlten Steuern nach den § 130 ff. InsO verbieten würde.
Insbesondere liege kein rechtsmissbräuchliches Verhalten nach § 242 BGB in der Anfechtung. Zwar könne die Behörde im Rahmen der Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 3 UStG die Vorsteuer wieder zurückfordern und ihre offene Umsatzsteuerforderung geltend machen. Der entscheidende Punkt sei, dass die Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger höher ausgefallen wäre, wenn die Steuerzahlung unterblieben wäre.