"Eindeutig missbräuchlich": Patient kriegt keine Entscheidungen mehr vom BGH
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Seine Eingaben werden weiterhin geprüft, aber es gibt keine förmlichen Entscheidungen mehr. Das ist die Botschaft des 2. Strafsenats des BGH an einen Patienten, der auf einem Kreuzzug gegen seine Ärztinnen und Ärzte das Bundesgericht immer wieder mit unzulässigen Anträgen behelligt hat.

Beschwerden gegen insgesamt 15 Beschlüsse von drei Oberlandesgerichten (Bamberg, Hamm und Stuttgart) hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit seinen an diesem Freitag erschienen Beschlüssen abgearbeitet (Beschluss vom 10.10.2023 - 2 ARs 166/21 – als pars pro toto). All diesen Verfahren lagen Strafanzeigen gegen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte durch einen Patienten zugrunde, mit denen dieser "seit Jahren", so der BGH, Gerichte und Staatsanwälte beschäftigte. Die 15 jetzt veröffentlichten Entscheidungen sind noch längst nicht alles, verschiedene weitere Fälle sind laut dem 2. Strafsenat noch anhängig, eine Anzeige richtete sich auch gegen eine zwischenzeitlich von dem Mann mandatierte Anwältin.

Allen Fällen gemeinsam war, dass die Staatsanwaltschaften keinen Anfangsverdacht einer Straftat auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte erkennen konnten, und darin von den Oberlandesgerichten bestätigt wurden. Da gegen Entscheidungen eines OLG – soweit es nicht erstinstanzlich tätig wird, wie in Staatsschutzsachen – nach § 304 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz StPO keine Beschwerde zulässig ist, waren die Eingaben an den BGH alle gar nicht erst zulässig. Da der Patient aber trotz früherer Entscheidungen des BGH immer neue Anträge stellte, kam der Senat zum Schluss, dass es keinen Sinn ergebe, ihm die Rechtslage immer von Neuem zu erklären. Stattdessen werden seine Eingaben zukünftig noch geprüft, aber nicht mehr förmlich beschieden, entschied der Senat nun in mehrfacher Ausfertigung.

BGH: Keine Verschwendung von Arbeitskapazitäten

Die Karlsruher Richterinnen und Richter räumten dabei ein, dass die Rechtsschutzgarantie des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG im Normalfall auch bei wiederholten Anträgen in einer Sache eine förmliche Entscheidung verlangt. Sie stützten sich aber auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 19.04.2021 – 1 BvR 2552/18) in einer arbeitsgerichtlichen Sache. Dort ist festgehalten, dass in Ausnahmefällen Eingaben zwar weiter geprüft werden müssen, aber nicht mehr ausdrücklich darüber entschieden werden müsse. Andere Rechtssuchende sollten nicht unter der sinnlosen Bindung von Arbeitskraft leiden.

Christian Fahl hat in seiner Anmerkung in der NStZ zu einer analog begründeten Entscheidung des 2. Strafsenats in einem ähnlichen Fall (Beschluss vom 28.02.2023 – 2 ARs 65/2) die Bezugnahme auf eine BVerfG-Entscheidung aus einem arbeitsrechtlichen Verfahren kritisch gesehen. Der BGH führe einen allgemeinen Missbrauchsbegriff ein, obwohl Rechtsmissbrauch zu Verteidigungszwecken im Strafprozess "eingeplant" sein könne. Und doch könne, so auch Fahl mit Blick auf einen Extremfall aus einer älteren Entscheidung des 4. Strafsenats, in dem es um mehrere Tausend Beweisanträge ging (BGH, Urteil vom 07.11.1991 - 4 StR 252/91), die Verweigerung der Bescheidung als ultima ratio tatsächlich die mildeste Lösung sein.

Die allenfalls punktuellen gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit rechtsmissbräuchlichen Eingaben sind in der Vergangenheit bedauert worden (so Oliver Elzer: "verständlich – aber leider nicht 'gut abgesichert'"). Faktisch aber bescheiden – quer durch die Verfahrensordnungen – Gerichte aller Art seit Längerem im Ausnahmefall Anträge nicht mehr. 

BGH, Beschluss vom 10.10.2023 - 2 ARs 166/21

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, 10. November 2023.