Rück­wärts­fah­ren in Ein­bahn­stra­ße ge­ne­rell ver­bo­ten
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In einer Ein­bahn­stra­ße darf auch dann nicht falsch herum ge­fah­ren wer­den, um einem aus­par­ken­den Auto Platz zu ma­chen. Le­dig­lich ein un­mit­tel­ba­res Rück­wärt­sein­par­ken ist laut BGH er­laubt, eben­so wie Rück­wärts­ein­fah­ren aus einem Grund­stück. Der An­scheins­be­weis gelte hier nur bei ty­pi­schen Ver­kehrs­ge­sche­hen.

Eine Au­to­fah­re­rin – auf Park­platz­su­che – woll­te einem aus­par­ken­den Fahr­zeug Platz ma­chen. Dazu fuhr sie ei­ni­ge Meter zu­rück und stieß mit dem Auto eines Man­nes zu­sam­men. Ob die bei­den zeit­gleich rück­wärts­ge­fah­ren sind – so von der Frau be­haup­tet – oder ob der Fah­rer hin­ter ihr schon stand, ist um­strit­ten. Ihr Haft­pflicht­ver­si­che­rer re­gu­lier­te vor­ge­richt­lich die un­strei­ti­gen Scha­dens­po­si­tio­nen auf Grund­la­ge einer Haf­tungs­quo­te sei­ner Kun­din von 40 %. Wegen der rest­li­chen 60 % zog der Mann vor den Kadi und bekam beim Amts­ge­richt Düs­sel­dorf grö­ß­ten­teils Recht. Nicht hin­ge­gen beim dor­ti­gen Land­ge­richt, das die Schuld beim Fah­rer sah. Denn der An­scheins­be­weis spre­che dafür, dass die­ser gegen § 9 Abs. 5 StVO (Ab­bie­gen, Wen­den und Rück­wärts­fah­ren) sowie gegen § 10 S. 1 StVO (Ein­fah­ren und Aus­fah­ren) ver­sto­ßen habe, weil er die Vor­fahrt der Frau miss­ach­tet habe. Dass mög­li­cher­wei­se ein Wagen die Ein­bahn­stra­ße ent­ge­gen der vor­ge­se­he­nen Rich­tung be­fah­re, hätte er ein­kal­ku­lie­ren müs­sen.

Der VI. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs er­teil­te dem LG hier­für einen kla­ren Rüf­fel (Ur­teil vom 10.10.2023 – VI ZR 287/22). Des­sen Aus­füh­run­gen zur Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen Ver­ur­sa­chungs­bei­trä­ge nach §§ 17 Abs. 118 Abs. 3 StVG seien rechts­feh­ler­haft. Es hätte dabei be­rück­sich­ti­gen müs­sen, dass die Au­to­fah­re­rin die Ein­bahn­stra­ße unter Ver­stoß gegen das Vor­schrifts­zei­chen 220 in Ver­bin­dung mit § 41 Abs. 1 StVO ("Wer am Ver­kehr teil­nimmt, hat die durch Vor­schrift­zei­chen nach An­la­ge 2 an­ge­ord­ne­ten Ge- oder Ver­bo­te zu be­fol­gen") in un­zu­läs­si­ger Weise rück­wärts be­fuhr. Das, so der BGH, sei auch dann un­zu­läs­sig, wenn es – wie hier – dazu dient, einem aus­par­ken­den Fahr­zeug Platz zu ma­chen.

An­scheins­be­weis nur bei ty­pi­schem Ver­kehrs­ge­sche­hen

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des LG spre­che auch kein An­scheins­be­weis für einen schuld­haf­ten Ver­stoß des Klä­gers gegen §§ 9 Abs. 510 S. 1  StVO. Zwar könne die­ser bei einem Un­fall im Zu­sam­men­hang mit dem Rück­wärts­ein­fah­ren aus einem Grund­stück auf eine Stra­ße grund­sätz­lich dafür spre­chen, dass der rück­wärts Ein­fah­ren­de sei­nen Sorg­falts­pflich­ten nicht nach­ge­kom­men sei und den Un­fall da­durch (mit)ver­ur­sacht habe. Dies liege hier aber schon des­halb fern, weil die Frau die Ein­bahn­stra­ße in un­zu­läs­si­ger Weise rück­wärts be­fuhr. Dem­nach drän­ge sich, so der VI. Zi­vil­se­nat, nicht der Schluss auf, dass unter die­sen Um­stän­den den rück­wärts aus der Grund­stücks­zu­fahrt auf die Ein­bahn­stra­ße ein­fah­ren­den Klä­ger ein Ver­schul­den trifft.

Der BGH ver­wies die Sache ans LG zu­rück. Das müsse be­ach­ten, dass der Au­to­fah­rer grund­sätz­lich nicht mit Teil­neh­mern des flie­ßen­den Ver­kehrs auf der Ein­bahn­stra­ße rech­nen muss­te, die diese in un­zu­läs­si­ger Rich­tung nutz­ten. Dies wäre nur der Fall ge­we­sen, wenn be­son­de­re Um­stän­de vor­ge­le­gen hät­ten.

BGH, Urteil vom 10.10.2023 - VI ZR 287/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 23. November 2023.

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