Durch Dritte verursachter Arbeitsunfall – Regressmöglichkeiten der Unfallversicherung
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Ein Arbeitgeber muss für einen Arbeitsunfall eines Beschäftigten gegenüber der Unfallversicherung nur dann haften, wenn ihm oder einem Organ selbst vorwerfbar ist, den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht zu haben. Der Bundesgerichtshof verneinte den Rückgriff auf das Unternehmen, wenn der Unfall darauf beruht, dass eine Fremdfirma ihren Verkehrssicherungspflichten nicht genügt hatte. Eine Zurechnung deren Verhaltens sei gesetzlich ausgeschlossen.

Einrüstung von Gebäuden ohne Fangnetz und Bordbretter

Ein Dachdeckerunternehmen erhielt einen Auftrag, die Dacheindeckung auf mehreren Hallen durch Trapezbleche zu ersetzen. Um seine Aufgabe zu erfüllen, beauftragte es seinerseits einen Gerüstbauer mit der Errichtung des Gerüsts. Dieser vergab diesen Auftrag an eine weitere Firma. Das Gerüst wurde 2010 errichtet - ohne Fangnetz und ohne Bordbretter zu installieren. Das wurde einem Auszubildenden der Dachdeckerfirma zum Verhängnis: Er stürzte ab und verletzte sich schwer. Die Kosten dieses Arbeitsunfalls wurden von der Unfallversicherung übernommen, die jetzt unter anderem die Dachdeckerfirma in die Haftung nehmen wollte. Das Landgericht Mühlhausen wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Jena hat alle beteiligten Firmen als Gesamtschuldner zum Ersatz der Kosten verurteilt. Das Dachdeckerunternehmen wandte sich an den Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Kein übergegangener Anspruch vom Lehrling

Die Versicherung habe entgegen der Ansicht des OLG keinen Anspruch nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 618 Abs. 1,  § 280 Abs. 1 BGB gegen den Arbeitgeber des verunglückten Mannes. Dem BGH zufolge scheidet ein solcher Anspruch wegen § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, weil diese Regelung voraussetzt, dass der Arbeitgeber selbst den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

Eigener Anspruch der Unfallversicherung

Der VII. Zivilsenat verneinte auch einen Regressanspruch der Versicherung aus §§ 110 Abs. 1, 111 Satz 1 SGB VII: Auch § 110 SGB VII setze ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Zwar könne man der Dachdeckerfirma nach § 111 Satz 1 SGB VII auch das Verhalten seiner Organe, vertretungsberechtigten Gesellschafter und Ähnlichem zurechnen. Insoweit müsse das OLG ein Verschulden des Geschäftsführers noch prüfen. Die unterlassene Sorgfaltspflicht einer Fremdfirma genüge jedenfalls nicht. Anders als das OLG lehnt der BGH auch eine Zurechnung des Verhaltens der Gerüstbauer über § 278 BGB ab: Der Gesetzgeber habe die Regressmöglichkeiten der Versicherung gegenüber dem Arbeitgeber in §§ 110 ff. SGB VII abschließend geregelt. Eine darüber hinausgehende Haftung sei ausdrücklich nicht gewollt. Auch der Zweck der Norm - nämlich die erzieherische und präventive Wirkung der Normen - spreche für diese Lesart.

BGH, Urteil vom 09.12.2021 - VII ZR 170/19

Redaktion beck-aktuell, 4. Februar 2022.