Drohnen-Fotos: Panoramafreiheit für alle?
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Öffentlich ausgestellte Werke dürfen fotografiert und weiterverbreitet werden, ohne dass das Urheberrecht etwas dagegen hätte. Doch was ist mit Fotos, die mit Hilfe von Drohnen gemacht werden? Am Donnerstag geht es beim BGH darum, wie das Recht mit technischen Fortschritten umgeht.

Panoramafreiheit ist ein wunderbares Wort. Es lässt bezaubernde Bilder vor dem geistigen Auge aufziehen, von Bergen, Wasserfällen, schier endlos weiten Landschaften. Diese Panoramafreiheit muss etwas Wunderbares sein. Doch Berge, Wasserfälle und weite Landschaften sind nicht urheberrechtlich geschützt (zum Glück!) und haben daher mit der Panoramafreiheit, über die der BGH am morgigen Donnerstag verhandelt (Az. I ZR 67/23), nichts zu tun.

Die echte Panoramafreiheit ist zunächst einmal nur ein weiterer schnöder Juristenbegriff, niedergeschrieben in § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG. Doch er klingt nicht nur schöner als andere Juristenbegriffe wie etwa Befunderhebungsfehler oder Berufsausübungsgesellschaft, sondern es steckt wirklich ein wahrer Freiheitsgedanke darin: dass alles, was frei anzusehen ist, auch frei fotografiert und weiterverwendet werden darf. Das gilt für Bauwerke ebenso wie für öffentlich ausgestellte Kunst. Juristisch wird dies damit begründet, dass Künstlerinnen und Künstler ihre Werke durch Aufstellung an einem öffentlichen Ort der Allgemeinheit widmen. Sie sind gewissermaßen Teil einer öffentlichen kunstvollen Landschaft, die allen zur Verfügung steht.

Wer nun den Glauben zurückgewinnt, dass auch Juristinnen und Juristen fähig wären, in Anbetracht einer so schöngeistigen Idee die Kunst einfach mal Kunst sein zu lassen und sich mit der – ihnen oft zugeschriebenen – Erbsenzählerei zurückzuhalten, der wird sogleich enttäuscht. Denn vor dem BGH streitet nun die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die urheberrechtliche Ansprüche von rund 60.000 Künstlerinnen und Künstlern wahrnimmt, mit einem Buchverlag über Bilder in dessen Freizeitführern. Hintergrund ist, dass die technische Entwicklung dem Menschen inzwischen die Möglichkeit beschert hat, Bilder von Orten aus zu machen, an denen er sich selbst gar nicht befindet. So enthielten besagte Freizeitführer Luftbildaufnahmen, die mithilfe von Drohnen erstellt worden waren und Kunstinstallationen aus der Vogelperspektive zeigten. Nach fruchtlosen Bemühungen, die Bilder nachträglich zu lizensieren, forderte die Verwertungsgesellschaft schließlich von dem Buchverlag, die Bilder nicht mehr zu verwenden und seine grundsätzliche Schadensersatzpflicht anzuerkennen. Der Verlag wehrte sich dagegen und berief sich auf die Panoramafreiheit.

OLG: Hilfsmittel zählen nicht

In den Instanzen hat er damit keinen Erfolg gehabt. Sowohl das LG Bochum als auch das OLG Hamm urteilten, dass sich der Verlag nicht auf die Panoramafreiheit berufen könne. Das Ergebnis der Gerichte basiert auf einer simplen Logik: Panoramafreiheit bedeutet, dass Menschen fotografieren und weiterverwenden dürfen, was sie mit ihren eigenen Augen von einem öffentlichen Ort aus sehen können. Die Kamera steht stellvertretend für das menschliche Auge – und das Gedächtnis, in dem das Bild sonst gespeichert würde. Dies, so die Gerichte, setze aber voraus, dass ein Mensch mit bloßem Auge auch zu einer solchen Betrachtung gelangen könne, wie sie auf dem Bild zu sehen ist.

Hier offenbart sich das Problem, wenn es um Drohnenaufnahmen geht: Menschen können nicht fliegen – und damit auch keine Dinge aus der Luft betrachten. Und was sie nicht selbst sehen können, fällt auch nicht unter die urheberrechtliche Ausnahme. Nun könnte man ebenso spitzfindig sein und einwenden: Menschen können durchaus fliegen und Kunstwerke aus der Luft betrachten, sie brauchen dazu bloß Hilfsmittel. Das soll aber nach Ansicht der Instanzgerichte nicht ausreichen. Das OLG Hamm schreibt dazu, es sei "ohne Belang, dass die streitgegenständlichen Luftbildaufnahmen – möglicherweise – auch von einem Menschen selbst aus einem Luftfahrzeug (z.B. einem Ballon oder einem Ultraleichtflugzeug) heraus hätten erstellt werden können".

Kommt es auf die Perspektive an?

Die Entscheidung folgt der bislang herrschenden Rechtsprechung, wonach die konkrete Perspektive der Aufnahme von einer öffentlichen Straße bzw. entsprechenden Wegen aus entstanden sein muss. Das hat schon der BGH in einer Entscheidung aus 2003 zum Hundertwasser-Haus so gesehen, das seinerzeit von einem anderen Privathaus aus fotografiert worden war. Drohnen allerdings gab es damals noch nicht. Im Übrigen ist schon die Annahme, dass es für das Privileg des § 59 UrhG auf die Perspektive des Fotografen bzw. der Fotografin ankäme, nicht zwingend. Absatz 1 der Norm sagt lediglich: "Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben." Nimmt man nur den Wortlaut als Maßstab, dann kommt es lediglich darauf an, wo sich das Objekt befindet – nicht der Fotograf oder die Fotografin.

2020 kam deshalb das LG Frankfurt a.M., das ebenfalls über Drohnen-Aufnahmen richten musste, zu einem anderen Schluss (Urteil vom 25.11.2020 – 2-06 O 136/20). Das Gericht erklärte, § 59 UrhG sei unionsrechtskonform anhand von Art. 5 Abs. 3 InfoSoc-RL weit auszulegen. Danach komme es für die Panoramafreiheit einzig darauf an, dass sich das Werk an einem öffentlichen Ort befinde; von wo aus es fotografiert werde, sei dagegen ohne Belang. Zudem müsse im Bereich der Luftbildfotografie berücksichtigt werden, dass auch die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 1 LuftVG grundsätzlich frei sei. Würden Bilder mithilfe von Drohnen angefertigt, geschehe auch dies im öffentlichen Raum.

 

Was ist mit Fotos vom Wasser aus?

Was stellt der BGH nun mit dieser Ausgangslage an? Öffnet er das strenge Urheberrecht für technische Entwicklungen oder hält er an der bisherigen Doktrin fest? Bislang hatte er noch keine Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu beziehen, erklärt Ulrike Grübler, Rechtsanwältin und Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei Erlburg in Berlin, im Gespräch mit beck-aktuell: "Zu dieser konkreten Situation mit einer Drohne oder einem anderen technischen Hilfsmittel gibt es bisher noch keine Entscheidung des BGH." Angesichts der immer häufiger anzutreffenden Flugobjekte sei das Thema in der Literatur breit diskutiert worden. Die herrschende Meinung sei hier bislang mit dem OLG Hamm gegangen, meint Grübler. "Wenn man die Hundertwasserhaus-Entscheidung überträgt, muss es eigentlich unzulässig sein." Der Fall aus Frankfurt schaffte es damals nicht bis vor den BGH, nun ergibt sich jedoch die Gelegenheit, Klarheit zu schaffen. Grübler hält es zwar nicht für ausgeschlossen, dass der BGH auch für Drohnenaufnahmen die Panoramafreiheit anerkennt. Es wäre jedoch eine Überraschung. "Es gibt immer wieder Konstellationen, in denen man die Dinge hinterfragen und ggf. anders bewerten muss", meint Grübler.

Ein viel diskutiertes Beispiel ist in diesen Zusammenhang auch die Hamburger Elbphilharmonie, ein beliebtes Foto-Motiv, gelegen direkt am Hafen und gesäumt von – um das Juristendeutsch zu bemühen - Wasserstraßen. Würde man von einer "richtigen" Straße aus ein Foto machen und anschließend veröffentlichen, wäre das urheberrechtlich kein Problem. Doch was ist mit Fotos, die von einem Schiff aus gemacht werden? Hier befände man sich ggf. auch auf einer öffentlichen Straße, allerdings an keiner Stelle, die Menschen ohne Hilfsmittel und mit Kamera-Equipment erreichen können. 

Schließlich gibt Rechtsanwältin Grübler auch noch einen weniger juristischen Aspekt zu bedenken: Schränke man mit einer Entscheidung, die sich starr an der jahrzehntealten Dogmatik orientiere, nicht Modernität und technischen Fortschritt ein? Sicher, das allein ist kein Argument. Und doch müssen sich auch die Richterinnen und Richter immer wieder Gedanken darüber machen, inwieweit sie das Recht einer sich verändernden Welt anpassen. Juristinnen und Juristen lieben nicht nur hässliche Wörter, sie lieben auch ihre Dogmatik. Doch zuweilen blicken auch sie über den Tellerrand hinaus.

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 10. Juli 2024.