Doppelte Urteilsbegründung bedarf auch doppelter Berufungsbegründung
akte_gericht_CR  smolaw11 adobe
© smolaw11 / stock.adobe.com
akte_gericht_CR smolaw11 adobe

Begründet ein Gericht sein Urteil mit zwei selbstständig tragenden Gründen, muss für beide ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angegeben werden, um die Berufung zuzulassen. So entschied der Bundesgerichtshof am 10.09.2020 im Fall eines Rechtsanwalts, der vergeblich die Zulassung als Syndikusanwalt verlangte. Er scheiterte daran, dass er zugleich mehrfacher Geschäftsführer war. Diese Begründung der Vorinstanz hatte er nicht angegriffen.

Dreifacher Geschäftsführer

Ein Rechtsanwalt beantragte die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei einem Verein, für den er zugleich Geschäftsführer in zwei Tochter-GmbHs war. Laut Anstellungsvertrag war er zugleich als Syndikusanwalt tätig. Er legte eine Tätigkeitsbeschreibung vor, wonach er zu 60% anwaltliche Tätigkeiten ausübte. Die Rechtsanwaltskammer gab seinem Antrag statt, der Anwaltsgerichtshof Hamm hob die Zulassung wieder auf. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf zwei Gründe: Zum einen könne ein Vereinsgeschäftsführer, der gleichzeitig Mitglied des Vereinsvorstands und des Präsidiums sei, kein Arbeitnehmer im Sinn des § 46 Abs. 2 BRAO sein. Zum anderen fehle es an der anwaltlichen Prägung seiner Tätigkeit nach § 46 Abs. 3 BRAO. Der Jurist beantragte die Zulassung der Berufung vor dem Bundesgerichtshof und griff das Urteil allein wegen Verkennung seines Anstellungsvertrags an - ohne Erfolg.

Zwei Urteilsgründe bedürfen zweier Zulassungsgründe

Ist das angefochtene Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird, so der BGH. Wird nur hinsichtlich eines Urteilsgrundes vorgetragen, kann dieser laut Anwaltssenat hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Es erübrige sich dann, überhaupt auf den Vortrag einzugehen. Der Anwalt hatte die Richtigkeit des Urteils nur bezüglich der Arbeitnehmereigenschaft angegriffen. Es bleibe der Urteilsgrund, wonach seine Tätigkeit nicht anwaltlich geprägt sei - dieser genüge bereits, die Zulassung zu verweigern.

BGH, Beschluss vom 10.09.2020 - 10.09.2020 AnwZ (Brfg) 18/20

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2020.