Doppelahndungsverbot im Wettbewerbsrecht
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Das strafrechtliche Doppelbestrafungsverbot ist auf Ordnungsmittel nicht direkt anwendbar. Allerdings folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip ein außerstrafrechtliches Doppelahndungsverbot, wie der Bundesgerichtshof betont. Dieses greife dann ein, wenn festgesetzte Ordnungsmittel praktisch identische Sachverhalte beträfen.

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Zwei Hersteller von Körperpflegeprodukten lagen über eine Werbeaussage im Streit, wonach ein Deo 48 Stunden lang gegen Geruch wirke. Die Werbung wurde vom Landgericht Hamburg am 22.09.2015 zunächst einstweilen untersagt. Im Juni 2018 erging dann das Urteil in der Hauptsache, das nach Rücknahme der Berufung Anfang Januar 2020 rechtskräftig wurde. Das Produkt wurde allerdings noch gegen Ende des Monats in verschiedenen Online-Shops mit dem verbotenen Slogan vertrieben. Die Wettbewerberin stellte nunmehr zwei Ordnungsmittelanträge: Zunächst wegen des Verstoßes gegen das Urteil und nachfolgend wegen der Verletzung der einstweiligen Verfügung von 2015. Letzteres begründete sie damit, dass ihre Konkurrentin auch vor Erlass der Hauptsacheentscheidung verpflichtet gewesen wäre, die Ware zurückzurufen oder zumindest die verbotene Werbung zu unterbinden. Das LG Hamburg verhängte jeweils ein Ordnungsgeld von 10.000 Euro. Das Hanseatische OLG halbierte den Betrag für die Hauptsache und wies den Antrag bezüglich der einstweiligen Verfügung ganz zurück: Hier liege ein Verstoß gegen das Doppelahndungsverbot vor. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen die Ablehnung ihres zweiten Antrags war beim BGH erfolgreich und führte zur Zurückverweisung.

Unterschiedlicher Pflichteninhalt

Die Karlsruher Richter stimmten im Ausgangspunkt mit dem OLG Hamburg überein: Ordnungsmittel nach § 890 ZPO hätten strafähnliche Wirkungen und müssten damit grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen. Das Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 3 GG greife nicht direkt, da dort explizit auf die "allgemeinen Strafgesetze" verwiesen werde. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot verbietet laut I. Zivilsenat aber eine erneute Verhängung von Ordnungsmitteln, wenn der "Gegenstand einer späteren Festsetzung mit dem einer früheren nach Anlass, Ziel und Zweck der beanstandeten Maßnahme in allen Einzelheiten identisch ist". Im konkreten Fall unterschieden sich die Pflichten aus Verfügung und Urteil jedoch: Während zunächst nur eine Aufforderung zum vorübergehenden Verkaufsstopp notwendig gewesen sei, sei nach Rechtskraft der Hauptsache auch ein Rückruf erforderlich gewesen. Die Bundesrichter betonten, dass die Festsetzung eines Ordnungsmittels im Übrigen auch dann zulässig bleibt, wenn es nur noch eine Sanktionswirkung hat und nicht mehr auf den Willen des Betroffenen einwirken kann.

BGH, Beschluss vom 21.04.2022 - I ZB 56/21

Redaktion beck-aktuell, 16. August 2022.