Dingliches Vorkaufsrecht eines Angehörigen hat Vorrang vor Mietervorkaufsrecht

Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es vom Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen bestellt wurde. Dies hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis darauf entschieden, dass der Gesetzgeber das Interesse des Vermieters, die Wohnung an eine bestimmte ihm nahestehende Person verkaufen zu können, als vorrangig ansehe. Dem widerspräche ein höherrangiges gesetzliches Mietervorkaufsrecht.

Voreigentümer verkaufte Wohnung an Mieter

Für einen Wohnungseigentümer und dessen zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau wurde 2016 ein Vorkaufsrecht ins Wohnungsgrundbuch eingetragen, "– auflösend bedingt – für den ersten das Vorkaufsrecht auslösenden Verkaufsfall – vererblich und nicht übertragbar – (…)". 2019 verkaufte der Voreigentümer die Wohnung an Dritte. Daraufhin erklärten sowohl seine Ex-Frau als auch der Mieter der Wohnung jeweils die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Die Wohnung ging mit Genehmigung der Drittkäufer an den Mieter, der im Oktober 2020 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurde. Die Frau ging leer aus und nahm ihren Ex-Mann beim Landgericht Leipzig unter anderem auf Auflassung des Wohnungseigentums erfolglos in Anspruch. Das zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragene Vorkaufsrecht wurde gelöscht. Damit war sie nicht einverstanden.

Ex-Frau scheitert mit Begehren auf Wiedereintragung des Vorkaufsrechts

Sowohl das Amtsgericht Meißen (Grundbuchamt) als auch das Oberlandesgericht Dresden wiesen die Beschwerde der Ex-Frau auf Wiedereintragung des Vorkaufsrechts zurück. Zwar habe das Grundbuchamt das Vorkaufsrecht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO gelöscht, da es die ehemalige Angetraute als Berechtigte zuvor nicht angehört habe. Diese habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch durch die Löschung unrichtig geworden sei. Es sei unwahrscheinlich, dass das Vorkaufsrecht noch bestehe. Mit der wirksamen Ausübung des Mietervorkaufsrechts sei ihr Vorkaufsrecht erloschen, da es nur für den ersten Verkaufsfall bestellt worden sei. Dieser sei mit dem Verkauf der Wohnung an Dritte eingetreten. Er könne nicht deshalb als solcher entwertet werden, nur weil die Ex-Frau nicht zum Zuge gekommen sei. Die Rechtsbeschwerde der Ex-Frau beim BGH hatte Erfolg.

BGH: Gesetzgeberische Intention ist entscheidend

Dem V. Zivilsenat zufolge muss das Grundbuchamt einen Amtswiderspruch gegen die Löschung des Vorkaufsrechts der früheren Ehefrau ins Grundbuch eintragen (§ 78 Abs. 3 GBO in Verbindung mit § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FamFG). Denn die Rechtsauffassung des OLG, dass das Vorkaufsrecht des Mieters aus § 577 BGB einem dinglichen Vorkaufsrecht nach § 1094 BGB vorgehe, treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Dem BGH zufolge genießt das dingliche Vorkaufsrecht jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es – wie hier – vom Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde. Dies folge bereits aus der Intention des Gesetzgebers, dem das Interesse des Vermieters, die Wohnung an eine bestimmte ihm nahestehende Person verkaufen zu können, vorrangig erschienen sei. Dem widerspräche es, wenn dem gesetzlichen Mietervorkaufsrecht in dieser Konstellation Vorrang eingeräumt würde.

BGH, Beschluss vom 27.04.2023 - V ZB 58/22

Redaktion beck-aktuell, 21. Juni 2023.