Jahrelanger Streit um digitales Erbe
2012 war eine 15-jährige Berlinerin im U-Bahnhof Schönleinstraße von einem Zug überrollt worden. Der Verdacht der Eltern war, dass ihre Tochter durch Mobbing in den Suizid getrieben worden sein könnte. Aufklärung erhofften sie sich von dem Facebook-Konto der Tochter. Dieses hatte der Internetriese in den sogenannten Gedenkzustand versetzt. Ein Zugriff war danach nicht mehr möglich.
BGH entschied zugunsten der Eltern
Der Konzern setzte sich gegen die Wünsche der Eltern zur Wehr. Diese beriefen sich auf ihr Erbrecht. In seiner Grundsatzentscheidung vom 12.07.2018 (BGH NJW 2018, 3178) entschied der III. Zivilsenat schließlich zugunsten der Universalsukzession und gegen eine erbrechtliche Sonderbehandlung von Profilen sozialer Netzwerke. Das Kammergericht hatte sich zuvor – im Widerspruch zum LG Berlin – gegen den Zugang der Eltern ausgesprochen.
Streit über Umfang der Erbenrechte
Der Streit setzte sich in vergleichbarer Konstellation über den Umfang der Rechte der Erben fort. Nach dem Urteil aus Karlsruhe hatte Facebook mitgeteilt: "Wir fühlen mit der Familie. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs haben wir der Familie die Informationen des Kontos ihrer verstorbenen Tochter übermittelt, einschließlich aller Nachrichten, Fotos und Posts". Nach Angaben des Anwalts der Familie, Christlieb Klages, bedeutete dies die Übersendung einer ungeordneten pdf-Datei mit 14.000 Seiten Umfang.
KG: Aushändigung der Daten auf USB-Stick genügt
Das LG Berlin (ZUM-RD 2019, 613) erließ daraufhin ein Zwangsgeld gegen Facebook, da Zugriff auf das Konto zu gewähren sei. Dazu genüge ein passiver Zugang mit Leseberechtigung. Die Schaffung eines solchen sei dem Netzwerk auch zumutbar. Das KG sah dies mit Beschluss vom 03.12.2019 (ZEV 2020, 176) erneut anders und hob die Entscheidung auf. Geschuldet sei lediglich der Inhalt der Kommunikation, jedoch kein "Agieren" im Account. Facebook sei durch die Aushändigung der Daten auf einem USB-Stick seiner Verpflichtung nachgekommen.
BGH: Gedenkzustand aufzuheben
Wie zuvor schloss sich der III. Zivilsenat der Meinung des LG Berlin an. Das Ergebnis ergebe sich schon "ohne Weiteres" aus den Urteilen des LG Berlin und des BGH von 2015 und 2018, so der BGH. Aus dem Erbrecht folge, dass Facebook den Gedenkzustand des Kontos aufheben müsse. Erst damit könnten die Eltern ihr Erbrecht vollständig wahrnehmen. Eine Einschränkung machten die Bundesrichter jedoch: Das Konto darf nicht wieder aktiv genutzt werden. Damit sei nach der Lage der Dinge aber auch nicht zu rechnen.