Dieselskandal: Leasingzahlungen bei Kfz-Rückgabe nicht zu erstatten
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Ansprüche aus deliktischer Haftung in Bezug auf ein vom Dieselskandal betroffenes Kraftfahrzeug, das zunächst geleast und dann gekauft worden war, erfassen die Leasingzahlungen nicht. Denn diese Zahlungen entsprechen, zumindest, wenn das Fahrzeug während der gesamten Leasingzeit genutzt wurde, dem gezogenen Nutzungsvorteil und sind damit kompensiert. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs hervor.

Audi Q5 zunächst geleast, dann gekauft

Der Kläger hatte ab Juni 2009 für vier Jahre von der Volkswagen Leasing GmbH einen neuen Audi Q5 geleast. Die Leasingraten betrugen 437 Euro pro Monat; außerdem fiel eine Leasingsonderzahlung von 5.000 Euro an. Im Mai 2013 erwarb der Kläger das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 80.000 für 25.680,74 Euro von einem Dritten. Bei einem Kilometerstand von 170.000 erlitt es einen Motorschaden und wurde seitdem nicht mehr bewegt. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, also vom Dieselskandal betroffen. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung seiner für das Leasing und den Kauf gezahlten Beträge abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Vorinstanz: Nur Kaufpreis zu erstatten

Die Klage hatte in den Vorinstanzen teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zuerkannt, soweit er seine Ansprüche auf den Abschluss des Kaufvertrags im Mai 2013 stützt. Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises zuzüglich verschiedener Aufwendungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die seit dem Kauf gefahrenen 90.000 Kilometer, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Nicht erstattet verlangen könne er dagegen die aufgrund des Leasingvertrags geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 25.976 Euro. Ein etwaiger Anspruch scheitere jedenfalls daran, dass der gegebenenfalls anzurechnende Nutzungsvorteil der Höhe nach den Leasingzahlungen entspreche.

BGH: Unmittelbare Haftung der Beklagten klärungsbedürftig

Die Revision der Beklagten hält der BGH für begründet. Sie führte insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könnten keine Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB bejaht werden. Das Berufungsgericht habe nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinn von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Das Berufungsgericht habe eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu unternehmensinternen Vorgängen angenommen, die auf eine Kenntnis ihrer verfassungsmäßigen Vertreter von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung schließen lassen sollen. Aus dem der Beurteilung des BGH unterliegenden Verfahrensstoff hätten sich indes keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben, die einen solchen Schluss nahelegen. Das Berufungsgericht müsse daher erneut Feststellungen zur Frage einer unmittelbaren deliktischen Haftung der Beklagten treffen.

BGH: Leasingzahlungen sind jedenfalls kompensiert

Die Revision des Klägers, mit der er in erster Linie geltend machte, das Berufungsgericht habe den während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteil zu hoch bewertet, war nach Ansicht des BGH dagegen unbegründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Leasingraten bestehe nicht, weil der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile der Höhe nach den Leasingzahlungen entspreche, lasse – eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach unterstellt – keine Rechtsfehler erkennen. Aus den berufungsgerichtlichen Feststellungen hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass bereits bei Abschluss des Leasingvertrags ein späterer Erwerb des Fahrzeugeigentums durch den Kläger vereinbart worden wäre. Jedenfalls vor diesem Hintergrund sei die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe mit dem Abschluss des Leasingvertrags eine vom Kauf grundverschiedene Investitionsentscheidung getroffen, die es rechtfertige, den anzurechnenden Nutzungsvorteil anders als beim Kauf zu bestimmen, nicht zu beanstanden.

Leasingzahlungen entsprachen Nutzungsvorteilen

Nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung entspreche im Rahmen der deliktischen Vorteilsausgleichung der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile eines Kraftfahrzeugs der Höhe nach den vertraglich vereinbarten Leasingzahlungen. Dieser Ansicht gebührt laut BGH der Vorzug vor der Gegenmeinung, die auch beim Leasing die Nutzungsvorteile im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel (Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleistungserwartung) vornehmen möchte. Ob eine andere Betrachtung dann geboten ist, wenn aufgrund der Vertragsgestaltung von vornherein feststeht, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernimmt, habe hier dahinstehen können.

Fahrzeugnutzung bei Leasing zeitraumbezogen

Der Käufer eines Fahrzeugs erwerbe die Möglichkeit, das Fahrzeug ohne zeitliche Begrenzung über die gesamte Laufleistung – bis zum Eintritt der Gebrauchsuntauglichkeit – zu nutzen. Kaufpreiszahlung und Gesamtnutzung stünden sich "kongruent" und daher anrechenbar gegenüber; sie seien bei wertender Betrachtung gewissermaßen zu einer Rechnungseinheit verbunden. Der Leasingnehmer hingegen erwerbe die Möglichkeit, das Fahrzeug über einen konkreten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen zu nutzen. Diese besondere Art der Fahrzeugnutzung habe einen eigenen, grundsätzlich zeitraumbezogenen Wert, der den Leasingzahlungen anrechenbar gegenübersteht und für den der vereinbarte Leasingpreis einen tauglichen Anhaltspunkt bildet.

Keine Erstattung bei Nutzbarkeit während gesamter Leasingzeit

Das entspreche dem Grundsatz, dass der objektive Wert eines herauszugebenden Gebrauchsvorteils regelmäßig anhand des marktüblichen Preises einer vertraglichen Gebrauchsgestattung zu bemessen ist, sofern nicht die Herausgabenorm eine andere Bewertung erfordert, wie es insbesondere bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags der Fall ist. Könne der Leasingnehmer das Fahrzeug – wie hier der Kläger – über die gesamte Leasingzeit ohne wesentliche Einschränkung nutzen, habe er den Vorteil, auf den der Abschluss des Leasingvertrags gerichtet war, in vollem Umfang realisiert. Der Vorteil kompensiere in diesem Fall den gesamten mit den Leasingzahlungen verbundenen finanziellen Nachteil. Dies entspreche der Situation eines Fahrzeugkäufers, der die Laufleistungserwartung des Fahrzeugs ausgeschöpft hat.

Keine Kürzung zum Beispiel um Gewinn des Leasinggebers

Anhaltspunkte dafür, dass der objektive Leasingwert geringer gewesen wäre als der zwischen dem Kläger und der Leasinggeberin vereinbarte Leasingpreis, bestanden nach Angaben des BGH nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätten die Leasingraten den üblichen Leasinggebühren entsprochen und der Kläger habe beim Leasing eines gleichwertigen Fahrzeugs entsprechende Zahlungen erbringen müssen. Der Leasingpreis sei für die Vorteilsanrechnung nicht um die darin enthaltenen Finanzierungskosten, den Gewinn des Leasinggebers oder andere Nebenkosten zu kürzen. Solche Kosten lägen in der Natur des Leasingvertrags und flössen in den objektiven Wert der leasingmäßigen Fahrzeugnutzung ein.

BGH, Urteil vom 16.09.2021 - VII ZR 192/20

Redaktion beck-aktuell, 16. September 2021.