Dieselskandal: Automobilhersteller haftet auch für künftige Schäden
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Ein Automobilhersteller kann auch für zukünftige Schäden gegenüber dem Käufer eines abgasmanipulierten Diesel-Neuwagens haften. Laut Bundesgerichtshof kann ein entsprechendes Feststellungsinteresse darauf gestützt werden, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und weitere Kosten entstehen könnten. Dies müsse der Kläger konkret vortragen. Ein Anspruch auf Deliktszinsen bestehe aber nicht, da der Käufer als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung bereits ein voll nutzbares Fahrzeug erhalten habe.

Ersatz aller weiteren Schäden?

Eine Autokäuferin eines abgasmanipulierten Neuwagens verklagte die Herstellerin – die Volkswagen AG – unter anderem auf Feststellung, dass diese zum Ersatz aller bestehenden sowie zukünftigen Schäden verpflichtet ist. Nachdem das Kraftfahrtbundesamt die Abgassteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft hatte, ließ die Klägerin im Oktober 2016 ein Software-Update aufspielen. Während das Landgericht Heidelberg den Weltkonzern zur Zahlung von 19.330 Euro verurteilte, reduzierte das Oberlandesgericht Karlsruhe den Betrag auf 17.741 Euro nebst Delikts- und Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs – und stellte weiterhin fest, dass die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden, die aus der Installation der Motorsteuerungssoftware resultieren, verpflichtet sei. Der Käuferin stünden Deliktszinsen nach § 849 BGB zu. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit könne zudem ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden. Die VW AG war mit der Haftung für Deliktszinsen und für künftige Schäden nicht einverstanden. Ihre Revision beim BGH hatte teilweise Erfolg.

Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen

Aus Sicht des VI. Zivilsenats hat das OLG der Klägerin zu Unrecht Deliktszinsen nach§ 849 BGB von 17.741 Euro von März 2013 bis Januar 2019 zugesprochen. Ein solcher Anspruch scheide aus Rechtsgründen aus, da die Käuferin als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten habe. Der BGH bestätigte aber die Haftung des Unternehmens für zukünftige Schäden. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, sowie aus der Belastung mit Aufwendungen, die nach dem Vortrag der Dieselfahrerin in Betracht kämen. Sie habe bereits erstinstanzlich unter anderem mitgeteilt, dass noch Transport-, Stand- sowie An- und Abmeldekosten entstehen könnten. Solche Aufwendungen können den obersten Zivilrichtern zufolge im Rahmen des großen Schadenersatzes ersatzfähig sein, für dessen Geltendmachung sich die Autofahrerin entschieden hatte.

BGH, Urteil vom 21.11.2021 - VI ZR 455/20

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2022.