Abgasskandal: Schadenersatzanspruch trotz Weiterverkaufs des Autos
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Wer ein vom Abgasskandal betroffenes Auto gekauft hat, hat auch dann einen Schadenersatzanspruch gegen den Hersteller (hier: VW), wenn er das Auto inzwischen weiterveräußert hat. Wie der Bundesgerichtshof in zwei Fällen entschieden hat, lässt dies den Anspruch nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nicht entfallen. Der Erlös aus dem Autoverkauf sei allerdings vom Schadenersatzanspruch abzuziehen.

Manipulierte Fahrzeuge zwischenzeitlich verkauft

Der Kläger im Verfahren VI ZR 533/20 erwarb im September 2014 einen gebrauchten VW Passat. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb führte die Software zu einer erhöhten Abgasrückführung im Vergleich zum Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten. Während des erstinstanzlichen Verfahrens erwarb der Kläger ein Fahrzeug eines anderen Herstellers, gab das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug in Zahlung und erhielt zusätzlich eine "Wechselprämie". Im Verfahren VI ZR 575/20 erwarb die Klägerin einen VW Touran, der ebenfalls mit einem manipulierten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet war. Während des laufenden Rechtsstreits veräußerte auch sie das Fahrzeug zu einem marktgerechten Preis.

Schadenersatzanspruch und Anrechnung der "Wechselprämie"?

Zwischen den Parteien beider Verfahren war streitig, ob dem Kläger beziehungsweise der Klägerin trotz des Weiterverkaufs des VW ein Schadenersatzanspruch gegen die beklagte VW AG in Höhe des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die Fahrzeugnutzung und abzüglich des erzielten Verkaufserlöses zusteht. Im Verfahren VI ZR 533/20 drehte sich der Streit zudem darum, ob gegebenenfalls von diesem Anspruch die "Wechselprämie" ebenfalls abzuziehen ist.

Beide Klagen in Berufungsinstanz erfolgreich

Das Landgericht gab der Klage im Fall VI ZR 533/20 nur zu einem geringen Teil statt. Es erkannte dem Kläger zwar trotz Weiterverkaufs des Diesel-Fahrzeugs einen Schadenersatzanspruch zu, zog aber vom zu ersetzenden Kaufpreis für das Diesel-Fahrzeug neben der Nutzungsentschädigung und dem Verkaufserlös zusätzlich die Wechselprämie ab. Die Berufung des Klägers hatte insofern Erfolg, als nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Wechselprämie nicht in Abzug zu bringen war. Im Fall VI ZR 575/20 hat das LG der Klägerin trotz Weiterverkaufs des Diesel-Fahrzeugs einen Schadenersatzanspruch zuerkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

BGH bestätigt Schadenersatzansprüche

Der BGH hat in beiden Verfahren die Berufungsurteile bestätigt und die Revision der Beklagten jeweils zurückgewiesen. Der Kläger/die Klägerin habe gegen VW dem Grunde nach Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung – abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs. Der Weiterverkauf des Fahrzeugs lasse diesen Schadenersatzanspruch nicht entfallen. Durch den Weiterverkauf sei der marktgerechte Verkaufserlös an die Stelle des im Wege der Vorteilsausgleichung herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs getreten und müsse vom Schadenersatzanspruch abzogen werden.

"Wechselprämie" nicht in Abzug zu bringen

Im Verfahren VI ZR 533/20 führt der BGH weiter aus, die "Wechselprämie" sei nicht zugunsten des beklagten Fahrzeugherstellers vom Schadenersatzanspruch in Abzug zu bringen. Denn diese habe der Kläger aufgrund seiner Entscheidung erhalten, Auto oder Automarke zu wechseln. Sie habe nichts mit dem Substanz- oder Nutzungswert des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs zu tun und stehe daher dem Kläger und nicht der Beklagten zu.

BGH, Urteil vom 20.07.2021 - VI ZR 533/20

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2021.

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