Diesel-Kauf nach Herbst 2015: BGH macht VW-Klägern wenig Hoffnung
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Diesel-Kläger, die ihr Auto erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals gekauft haben, dürften es schwer haben, trotzdem Schadenersatz von VW zu bekommen. Das zeichnete sich am 28.07.2020 in einer Verhandlung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe ab. Die Richter halten es für wenig wahrscheinlich, dass jemand nach diesem Zeitpunkt von dem Skandal überhaupt nichts mitbekommen haben soll und völlig arglos war. Auch Deliktszinsen muss VW wohl nicht zahlen.

"Kompensierender Austausch" spricht gegen Deliktszinsen

Deliktszinsen können fällig werden, wenn jemand einem anderen eine Sache oder Geld "entzieht". Klassischer Fall ist ein Diebstahl. Im Dieselskandal geht es vereinfach gesagt um die Frage, ob VW getäuschten Käufern neben Schadenersatz Zinsen auf das in das Auto gesteckte Geld schuldet. Das macht durchaus einen Unterschied: Der Klägerin in dem Fall hatten die Gerichte der Vorinstanzen gut 3.000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Das Oberlandesgericht Oldenburg schlug noch einmal gut 1.800 Euro an Zinsen auf. Aber die BGH-Richter sind skeptisch. Betroffene Kunden hätten im Gegenzug ein voll nutzbares Fahrzeug erhalten, sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Damit habe ein "kompensierender Austausch" stattgefunden.

Unkenntnis über VW-Skandal im August 2016 kaum vorstellbar

Der zweite Kläger, dessen Fall der BGH nun entscheidet, hatte sein Auto erst im August 2016 gekauft. Vor den Gerichten in Rheinland-Pfalz war er deshalb leer ausgegangen. Dabei hätten damals nicht mehr alle den Skandal präsent gehabt, so sein BGH-Anwalt. "Der große Hype war im Herbst 2015", sagte er. "Der Normal-Verbraucher vergisst so was." Jeder Käufer hätte durch VW verlässlich informiert werden müssen. Volkswagen hatte damals eine Internetseite eingerichtet, auf der Autobesitzer überprüfen konnten, ob ihr Wagen einen Motor mit der illegalen Abgastechnik hat. Außerdem seien die Vertragshändler und das Servicenetz informiert worden, sagte VW-Anwältin Martina van Wijngaarden. "Für Volkswagen ist klar: Es wurde alles getan, dass diese Kunden darüber informiert sind oder zumindest wissen mussten, dass ihr Fahrzeug, das sie erwerben würden, betroffen ist." Richter Seiters sagte, es sei zwar nicht zu verkennen, dass der Konzern erst unter Druck reagiert habe. VW hätte möglicherweise auch noch mehr zur Aufklärung unternehmen können. Entscheidend sei aber das gesamte Verhalten, und das müsse nicht moralisch tadellos sein. Es habe auch nicht jeder Einzelne erreicht werden müssen.

Urteile möglicherweise schon Donnerstag

Beide Urteile sollen kurzfristig verkündet werden, wie der Vorsitzende Richter Stephan Seiters ankündigte. Wann genau, stand zunächst nicht fest. Für diesen Donnerstag hat der Senat bereits die Urteilsverkündung in zwei anderen Diesel-Fällen angesetzt. Auch wenn die neuen Fälle eher zugunsten von VW ausgehen dürften - das erste Diesel-Urteil des BGH vom 25.05.2020 hat Zehntausenden Klägern den Weg zu Schadenersatz geebnet. Darin ist festgestellt, dass der Wolfsburger Autobauer seine Kunden bewusst getäuscht hat und deshalb prinzipiell haftet. Bei der Berechnung der Ansprüche müssen sich Betroffene auf den Kaufpreis aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Und Geld bekommt nur, wer sein Auto zurückgibt.

BGH - VI ZR 397/19

Redaktion beck-aktuell, 28. Juli 2020 (dpa).